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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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drei Brüder zu sich.
    „Die Wachen am Tor verstärken!“, befahl er. „Man kann nie wissen … Und Boten hinaus! Alle, die draußen sind, zurück auf die Burg!“
    „Roudhart“, sagte Thankmar mit schwankender Stimme, „dein Messer! Seht einmal her … seht alle her. Das alte Signum hier gilt nicht mehr. Ich zeige euch jetzt das neue … das gültige. Wieder ein Strich von oben nach unten. Dann wieder einer von links nach rechts als Dach … und nun der Bogen, aber der endet schon in der Mitte des ersten Strichs … und dann … noch ein schräger Stützbalken … so! Und was heißt das? TR! Thancmarius Rex! König Thankmar!“

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    „Wie lange braucht er da oben noch?“
    König Otto saß barfuß, die Beine von sich gestreckt und die Arme verschränkt, auf seinem mit Leder bespannten Klappstuhl, am Ufer des Flusses Diemel und blickte mürrisch, doch aufmerksam hinauf zum Eingang der Burg auf dem vor ihm ansteigenden Eresberg. Die Sonne brannte, obwohl sie noch lange nicht im Zenit stand. Der König hatte es sich bequem gemacht und das Panzerhemd, das er schon angelegt hatte, wieder abgestreift. Es lag mit dem Helm und dem Schwert neben ihm im Grase.
    „Vielleicht verhandeln sie“, bemerkte der beleibte Kämmerer Hadalt, der neben ihm stand und ein feuchtes Tuch über seinen fast kahlen Kopf geknotet hatte. „Vielleicht wollen die noch etwas herausschlagen.“
    „Daraus wird nichts. Nur eines zählt: Unterwerfung. Bedingungslos!“
    Ein Knecht brachte dem König einen Eimer mit Flusswasser. Otto ergriff ihn, goss sich das Wasser über den Kopf, prustete und schüttelte sich. Wie gewöhnlich war sein breites Gesicht stark gerötet, doch waren die Augen bläulich umschattet und fast hinter den müden Lidern verborgen. Die Anspannung der letzten Wochen, die Belastungen der vielen im Sattel verbrachten Tage und halben Nächte hatten ihre Spuren hinterlassen.
    Er strich eine nasse Haarsträhne aus der Stirn und sagte wieder seufzend: „Wie lange noch?“
    In aller Frühe war er an der Spitze seines Heers am Fuße des Eresbergs eingetroffen. In der warmen, mondhellen Nacht, auf breiten, trockenen Wegen waren einige Hundertschaften voraus marschiert und hatten noch vor Sonnenaufgang an dem einzigen Zugang zur Eresburg, die nur von der Südseite über einen Bergsattel zu erreichen war, Posten bezogen. So sollte verhindert werden, dass die Burgbesetzer, die die Annäherung des Heeres von ihrem hohen Standpunkt aus gut beobachten konnten, noch rechtzeitig entkamen. Denn dass sie einen Ausfall machen und sich zur Schlacht stellen würden, erwartete niemand.
    Zu stark war ihre zu einer gewaltigen Masse angewachsene Gegnerschaft. Nach der Ankunft der Hauptmacht hatte sich die bunte Menge des Kriegsvolks im Tal verteilt. Wohin das Auge blickte, |136| glänzten im Sonnenlicht Helme, Panzerhemden, Schwerter und Lanzen. Hunderte Pferde wurden in einem Flüsschen mit flachem Ufer getränkt, das in die Diemel mündete. Der Tross mit den Zelten und Arbeitsgeräten hing zurück, man vermisste ihn aber noch nicht. Zunächst galt es herauszufinden, ob sich die Männer auf der Burg entschlossen verteidigen würden und ob man sich auf eine Belagerung einstellen musste. Dazu hatten sich drei Hundertschaften ausgewählter Kämpfer zu Fuß unter Führung von Hermann Billung an den Aufstieg gemacht. Ein Rammbock und ein paar altersschwache, auf Ochsengespanne geladene Katapulte sollten mehr Eindruck machen als mauerbrechende Wirkung erzielen. Ergab sich die Burgbesatzung nicht, musste entweder ein Angriff mit Sturmleitern gewagt oder mit viel Geduld eine Belagerung zum Zwecke des Aushungerns begonnen werden.
    Otto bevorzugte diese letztere Art, mit Gegnern fertig zu werden. Er vermied gern blutige Kämpfe, wenn sie nicht unvermeidlich waren. Da aber die Eresburg den Ruf der Uneinnehmbarkeit hatte und die Empörer sich bei ihren Raubzügen gut versorgt haben konnten, war die Aussicht auf eine lange Belagerung nicht wünschenswert. So hoffte der König in diesem Fall auf ein schnelles Ende, ebenfalls ohne Kampf und Blutvergießen. Allein der Anblick seines gewaltigen Heeres sollte und musste den Widerstandswillen der Aufrührer brechen.
    Verglichen mit den Kräften, die er ein paar Wochen zuvor gegen Regensburg aufbieten konnte, hatte sich Ottos Kriegsmacht fast verdoppelt. Hermann Billung und Konrad Kurzbold waren mit ihren Mannschaften zu ihm gestoßen. Eine vom Schwabenherzog Hermann geforderte Verstärkung war eingetroffen.

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