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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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gehört. Beinahe hätte ihn sogar Tammo, dieser traurige Bastard, vom Thron gestoßen. Herzog Eberhard von Franken ist von ihm abgefallen …“
    „Der soll sich ihm wieder unterworfen haben. Und den anderen Eberhard, den Bayern, hat er davon gejagt …“
    „Aber da sind noch die Wenden, die Magyaren, die Dänen! Überall brennt es an seinen Grenzen, im Osten, im Norden … wie sollte er jetzt Zeit finden, über den Rhein zu kommen? Wenn er es aber schafft, alle Feuer auszutreten – und ich traue es ihm zu – dann kommt er … und dann wird es zu spät sein … dann gnade dir Gott! Dann wirst du erhalten, was du verdient hast!“
    „Was könnte mir Odda schon vorwerfen?“
    „Er wird dich fragen, warum du auf seinen Hoftagen nicht erschienen bist. Warum du trotz mehrfacher Mahnung kein Aufgebot zu seinem Reichsheer geschickt hast. Warum du seine Gesandten – erst einen Bischof, jetzt seinen Kämmerer, einen würdigen Mann – wie Bittsteller behandelst …“
    „Das hast du ja selber so gewollt!“, warf der Herzog entrüstet ein. „Du hast den ‚würdigen Mann‘ nicht einmal empfangen wollen!“
    „Ja, und ich habe sogar die Kranke gespielt! Ahnte ich denn, dass mein Ehemann, der König von Lothringen werden wollte, verängstigt, unverrichteter Dinge aus Laon zurückkehren würde?“
    „Ich habe mein Ziel nicht aus den Augen verloren“, erklärte der Herzog, den Kopf erhoben und auf den Zehen wippend. „Ich werde König von Lothringen sein. Ich werde das Reich meines Urahnen Lothar wiederherstellen. Aber ich kann meine Zeit abwarten.“
    „Jetzt ist es Zeit!“, schrie Gerberga. „Jetzt hätte der erste Schritt getan werden müssen. Odda taumelt … hat Glück gehabt, dass seine Gegner zu schwach und unentschlossen waren. Wenn man neue Verhältnisse schaffen will, ist keine Zeit günstiger als ein Machtwechsel. Im Grunde ist es schon fast zu spät. Zwei Jahre ist Odda an der Macht, zwei Jahre auch dieser ‚Überseeische‘. Längst hätte gehandelt werden müssen … aber du … du hast lieber gewartet und dich damit begnügt, Odda kleine Stiche zu versetzen. Wenn du so weitermachst, wird er dich wie eine Mücke behandeln!“
    |184| Die Herzogin schlug sich auf den Handrücken, als tötete sie ein Insekt.
    „Das sollte er wagen!“, sagte Giselbert matt.
    „Er wird es tun, verlass dich darauf! Er ist langmütig, aber wenn er erst einmal in Zorn gerät, ist er schrecklich! Und was bleibt dann für mich? Die Zelle im Kloster! Und was wird aus unseren Kindern? Daran wage ich schon gar nicht zu denken. Hätte dein Vater gewusst, wie leichtfertig du …“
    „Es reicht! Fang nicht wieder von meinem Vater an!“
    „Dein Vater Reginar wusste, wann es Zeit war zu handeln! – und er handelte! Kaum war Ludwig das Kind gestorben und Konrad zum König gewählt, ging er zu den Westfranken über und leistete König Karl den Eid. Mit dessen Hilfe schlug er Konrad zurück und wäre er nicht gestorben, hätte er Karls Schwäche genutzt, sich unabhängig erklärt und zum König krönen lassen. Aber nun kam das Herzogtum an seinen schwachen, wankelmütigen Sohn, der nicht einmal einen schüchternen Jüngling herumkriegt …“
    „Genug!“, schrie der Herzog. „Ich habe dir alles erklärt! Und ich sage dir noch einmal …“
    „Wozu soll ich mir immer dieselben Erklärungen anhören? Nichts hast du erreicht, mit leeren Händen bist du zurückgekommen …“
    So begann die Auseinandersetzung von vorn und es wurden mit Hartnäckigkeit und Verbissenheit sämtliche Vorwürfe und Rechtfertigungen, sämtliche Drohungen und Beleidigungen wiederholt, allerdings noch heftiger und unversöhnlicher. Die beiden vergaßen, dass ein Stockwerk tiefer, in der Halle des Herrenhauses, zahlreiche Gäste auf sie warteten, darunter Grafen, Bischöfe und Äbte. Sie dachten auch nicht daran, ihre Stimmen zu dämpfen, sodass in dem hölzernen Bauwerk die schrillsten Entrüstungsausbrüche und die schärfsten Entgegnungen noch im letzten Winkel vernehmbar waren. Während sie noch aufeinander einschrien, bemerkten sie plötzlich den kleinen weißhaarigen Höfling, der mit niedergeschlagenen Augen auf das Ende des ehelichen Scharmützels wartete, um eine Meldung machen zu können.
    „Was willst du?“, raunzte ihn Giselbert an.
    „Musst du immer so hereinplatzen, Leudegasius?“, rief die Herzogin.
    „Verzeihung, ich hatte dreimal geklopft“, sagte das Männchen.
    „Nun, was gibt es so Dringendes?“, fragte der Herzog.
    |185|

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