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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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beginnt. Nur eine kleine Gefolgschaft ist ihm erlaubt. Er darf aber seine prunkvollen Kleider und Waffen behalten und eine Kiste mit Goldschmuck mitnehmen. So lässt man ihn ziehen … in dieses finstere Land der heidnischen Räuber und Mörder. Was meint Ihr, wie weit er gekommen ist? In seinen seidenen Kleidern, mit seiner Goldkiste? Schon an der nächsten Wegbiegung wird man ihm aufgelauert haben. Böhmische Räuber ersparen König Otto den sächsischen Henker. Ist es nicht so?“

27
    Zur selben Stunde kam es im Herrenhaus der Burg Chèvremont zwischen der Herzogin Gerberga und ihrem Gemahl, dem gerade aus Westfranken zurückgekehrten Herzog Giselbert, zu einer heftigen Auseinandersetzung.
    „Wozu höre ich mir nur immer wieder dieselben Erklärungen an?“, rief die Herzogin, auf und ab schreitend und die Hände ringend, wobei die weiten Ärmel ihres Hausgewands wie die Schwingen eines zornigen Engels flatterten. „Nichts hast du erreicht, mit leeren Händen bist du zurückgekommen! In die Knie gegangen bist du vor diesem nichtswürdigen Pfaffen, dem Artaud. Das ist nun der Sohn des berühmten Reginar, der Enkel des unerschrockenen Grafen vom Maasland! Schande über einen, der solche Ahnen, aber kein Mark in den Knochen hat! Schande!“
    „Genug!“, schrie der Herzog, dessen spitzes Gesicht rot angelaufen war und dessen dünnes Haar zu Berge stand. „Ich erlaube dir nicht, mich zu beleidigen. Ich verbiete dir, solche Reden zu führen!“
    „Ah, er verbietet es mir!“, rief die Herzogin, bitter auflachend. „Er verbietet es der Tochter des Königs Heinrich, der Schwester des Königs Otto, der Schwägerin des mächtigen Herzogs Hugo Magnus! Er verbietet ihr, die Schuld einzufordern, die er einging, als sie ihm ihre Hand zum Ehebund reichte. Als sie ihm ihre Jungfräulichkeit zum Geschenk machte. Als er sich verpflichtete, alles zu tun, um sich einer solchen Verbindung würdig zu zeigen.“
    |182| „Welche Schuld? Welche Verpflichtung?“, schimpfte der Herzog zurück. „Auf das ‚Geschenk‘ hätte ich verzichten können, es wurde mir aufgenötigt! Ich wollte dich nicht, aber dein Vater, der König Heinrich, wollte Lothringen. Und damit ich ihm nicht davonflog und mich für ihn abmühte, legte er mir ein Ei ins Nest … dieses Kuckucksei – dich!“
    „Oh, du Unhold! Du Scheusal!“
    „Schon lange wäre ich wieder bei den Westfranken, aber ich musste ja Rücksicht nehmen – auf meine ostfränkische Verwandtschaft. Sonst hätte sie mich ja gleich besucht … mit ihren barbarischen Sachsenhorden. Ich habe nicht die geringste Lust, jetzt wieder den Gastgeber zu spielen – für solche Gäste. Sollen die Bayern sie bewirten! Als Artaud uns die Nachricht brachte, dass dein Bruder wieder mit einem Heer unterwegs ist, gab es für uns nur eines: die Wurst verstecken! Damit die Hunde nicht angelockt wurden.“
    „Was hattet ihr schon zu verstecken, ihr zaghaften Wichte!“, höhnte die Herzogin. „Wozu hast du nun diese Reise nach Laon unternommen? Nur um zu jagen, zu tafeln, zu huren? Hast du wenigstens mit König Ludwig darüber gesprochen, dass du bereit bist, ihm den Treueid zu leisten?“
    „Habe ich, habe ich!“, schrie Giselbert. „Wie oft soll ich das noch wiederholen, Frau? Er wollte ihn nicht annehmen, wollte sich erst mit Artaud beraten. Auch seine Mutter riet ihm ab. Sie haben Angst vor Hugo Magnus und Graf Heribert … fürchten, dass die alle Eide brechen, wenn Ludwig Lothringen bekommt und ihnen zu mächtig wird … Er will ja nicht wie sein Vater im Kerker enden.“
    „Der zarte Bengel. Wie leid er mir tut! Erbt ein Königreich und hat Angst vor seinen Vasallen!“
    „Hugo könnte sich mit Odda verbünden, er ist ja neuerdings auch sein Schwager. Und was dann?“
    „Dann bin ich entehrt!“, schrie Gerberga, den Tränen nahe. „Dann wird meine Schwester Hadwig, diese Einfalt, neun Jahre jünger, über mich triumphieren! Dann wird Hugo Magnus König – und sie Königin!“
    „Unsinn!“, wehrte der Herzog ärgerlich ab. „Hugo will nicht König sein, das wissen wir doch. Aber er hat nun einmal die größte Macht weit und breit. Und wenn er sich mit Odda zusammentut, sind wir alle erledigt. Das muss gründlich bedacht, darauf muss Rücksicht genommen werden.“
    |183| „Ja, immer nur Rücksicht und Vorsicht und feiges Zaudern – und die beste Gelegenheit wird vertan! Odda hat Schwierigkeiten, hält sich kaum noch im Sattel … das haben wir in den letzten Monaten immer wieder

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