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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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„Der Gesandte des erlauchten Königs der Ostfranken, Herr Hadalt, ist unten in der Halle erschienen. Er ersucht Euch um eine Begegnung.“
    „Ich hatte ihm sagen lassen, dass ich ihn heute nicht mehr empfangen werde.“
    „Dies wurde ihm wiederholt, Herr, doch die Auskunft stellte ihn nicht zufrieden. Er kam in Begleitung mehrerer Gefolgsmänner und leider gelang es der Wache nicht, ihn aufzuhalten.“
    „Das ist dreist, das ist unerhört!“
    „Er erklärte dazu, dass er genötigt und entschlossen sei, morgen abzureisen, weil ihn an seinem Hofe dringende Geschäfte erwarten.“
    „Nun, dann wirst du wohl mit ihm sprechen müssen“, sagte die Herzogin ironisch. „Schick ihn herauf, Leudegasius!“
    „Willst du ihn im Hausgewand empfangen?“, fragte der Herzog unwirsch.
    „Hadalt hat mich schon nackt gesehen, als ich noch in den Windeln lag“, erwiderte sie und gab dem Alten ein Zeichen, ihren Befehl auszuführen.
    Durch die offen geblieben Tür drang lebhaftes Stimmengewirr aus der Halle herauf.
    „Wie unangenehm, dass dieser Kerl gerade jetzt …“ Giselberts unsteter Blick huschte hin und her, als suchte der Herzog einen Weg, um zu entkommen. „Ob er etwas erfahren hat? Ob er schon weiß, dass die Bayern sich unterworfen haben? Ich hatte ausdrücklich allen befohlen, die Bescheid wussten …“
    „Das passt zu dir“, spottete die Herzogin, die an den Tisch mit den Dosen und Kästchen für ihre Schönheitspflege getreten war und einen Blick in den Metallspiegel warf. „Aber was nützt es dir noch! Wir müssen jetzt die Fassung bewahren. Gib meinem Bruder eine würdige Antwort, aber halte ihn noch einmal hin!“
    „Du hast gut reden! Und wenn er nun wieder verlangt, dass ich das Aufgebot für das Reichsheer in Marsch setze?“
    „Dummkopf! Das wird er nicht tun“, sagte sie, während sie ihre künstlich gewellte Mähne mit zwei Spangen bändigte. „Der Winter ist nahe, in diesem Jahr wird nichts mehr unternommen. So gewinnen wir Zeit.“
    „Zeit – wofür? Ich fürchte, Artaud wird im Frühjahr immer noch …“
    |186| „Artaud überlass nur mir. Und auch die alte angelsächsische Betschwester, Ludwigs Mutter.“
    Die Herzogin warf einen letzten Blick in den Spiegel und wandte sich wieder ihrem Ehemann zu. Sie trat vor ihn hin, blickte ihn scharf und herausfordernd an und fügte hinzu:
    „Und was den König Ludwig betrifft … den überlasse ebenfalls mir!“
    „Wie?“, fragte er betroffen. „Heißt das, du willst …?“
    „Ja, auch ich werde nach Laon reisen.“
    „Und wann?“
    „Recht bald. Natürlich machen wir die Reise gemeinsam. Ah, Leudegasius … Allein? Wo ist der Gesandte?“
    „Er erklärte, er zöge es vor“, meldete der weißhaarige Höfling, „seine Botschaft vor Zeugen zu übermitteln.“
    „Ich ahnte es“, murmelte Herzog Giselbert. „Er weiß alles! Und jetzt spielt er seine Macht aus.“
    Wenig später erschien das hohe Paar unten in der Halle. Etwa hundert vornehme Gäste und Gefolgsleute, die gerade Ohrenzeugen seines heftigen Wortwechsels geworden waren, standen in Gruppen beisammen und wichen höflich zurück, als es die Stufen herab schritt.
    Aus einer der Gruppen löste sich ein fast kahlköpfiger, rundlicher Mann, verneigte sich vor dem Herzogspaar und sagte mit freundlicher Miene:
    „Erlaubt bitte, mich Euch nochmals vorzustellen … Ich bin Hadalt, der Kämmerer König Ottos und sein Gesandter. Ich hatte schon vor drei Wochen Gelegenheit, Herzog, vor Euch zu erscheinen. Frau Herzogin, meine Ehrerbietung! Gewiss erinnert Ihr Euch an mich …“
    „Aber natürlich, mein lieber Hadalt“, erwiderte sie mit gleißendem Lächeln, „wie sollte ich nicht? Leider konnte ich Euch bisher nicht empfangen …“
    „Ihr habt mir ausrichten lassen, dass Ihr in Eile seid“, unterbrach der Herzog sie ungeduldig. „Zuvor wollt Ihr mir noch etwas mitteilen. Ist es etwas, das alle hier angeht? Sprecht! Ich habe vor meinen Gästen keine Geheimnisse.“
    Alle waren inzwischen aufmerksam geworden, die Gespräche ringsum verstummten.
    „Meine Botschaft ist kurz, Herzog“, sagte Hadalt.
    |187| Die freundlichen Fältchen in seinem Gesicht waren plötzlich verschwunden, sein Blick wurde kalt und klar, seine Stimme klang metallisch.
    „Auf königlichen Befehl gebiete ich Euch, Herzog Giselbert, vor Euren Getreuen, den Männern Lothringens, Euch ohne Verzug zu König Otto zu begeben und vor seinem Richterstuhl Rechenschaft über Euer Verhalten zu leisten. Solltet Ihr

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