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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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und verloren gegangen. Was war sein Fehler und was musste er anders machen?
    Später gingen sie hinunter in die große Halle, wo auf langen Tischen alles ausgebreitet lag, was die Kaufleute für den Bedarf des Königshofs mitgebracht hatten. Die Würdenträger und Königsvasallen waren mit ihren Ehefrauen, Söhnen, Töchtern und anderen Verwandten erschienen und alles stürzte sich auf die seidenen Stoffe, das edle Pelzwerk, auf Goldschmuck, Prunkwaffen, Glaswaren und feine Keramik. Otto, der im vergangenen Jahr viele Mängel in der Ausrüstung seiner Krieger festgestellt hatte, ließ sich Panzerhemden, Sporen, Schuhe, Dolche und Schwerter zeigen. Königin Edgith ging umher, kaufte Stoffe für die Kleidung der Kinder und der Dienerschaft, für sich selbst – der harte Winter hatte ihre Leiden vermehrt – Felle für Umhänge und Decken, auch manches zur Verzierung von Hüten, Kappen und Mänteln: Biber und Zobel aus Schweden, Schwarz- und Polarfuchs aus der Rus, Hermelin und graues Eichhorn aus Bulgar an der Wolga. Sie beriet den Abt des Mauritius-Klosters beim Einkauf von Tuch für neue Mönchskutten und Leinen für Hemden. In großen Mengen kaufte sie Wollstoff und Rindsleder, um in den Werkstätten der Pfalz Kleidung und Schuhe zur Verteilung an die Armen und Bedürftigen herstellen zu lassen.
    Die größten Einkäufe machten die für Küche und Keller Zuständigen: der Mundschenk, der Seneschalk und ihre Helfer. Zum Abend bereiteten die Köche ein Festmahl. Gebratenes und Gebackenes kam so schmackhaft, gut gewürzt und gesüßt wie lange nicht mehr auf die Tische. Der Wein floss reichlich. Die Frauen zeigten sich in den neuen Seidengewändern, die Jungfrauen glänzten mit den Geschenken von Vätern und Brüdern: Stirnreifen, Fibeln, Ohrringen.
    Es war eine Zeit, in welcher der Augenblick zählte. War es ein glücklicher, tat man gut daran, ihn zu genießen. Der nächste Morgen konnte schon wieder Unheil und Trübsal bringen. Die letzten |190| Zecher und Tänzer harrten noch in der Halle aus, als aus dem Frühnebel an der Elbe andere Gäste auftauchten: zwei Hundertschaften Panzerreiter mit Markgraf Gero an der Spitze.
    Die blutigen Wirren des Jahres 939 waren anderswo schon ausgelöst worden.

29
    „Auf der Burg Saalfeld“, sagte Gero. „Dort haben sie sich zusammengerottet.“
    „Wer?“, schrie Otto.
    „Dein Bruder Heinrich. Und alle anderen in Sachsen und Thüringen, die dich und mich loswerden wollen. Es sind viele – und bald werden noch welche hinzukommen.“
    „Wer noch?“
    „Die Lothringer. Heinrich ist schon unterwegs zu Giselbert. Sie wollen uns gemeinsam ans Leder.“
    „Ich glaube es nicht. Nein, ich glaube es nicht!“
    Otto, der rasch in Hose und Stiefel gefahren war und einen Mantel übergeworfen hatte, war Gero entgegen geeilt und stapfte mit kurzen Schritten auf dem Platz vor dem Palatium auf und ab. Sein Gesicht war noch gedunsen vom starken Weingenuss, sein Haar war ungekämmt, der Morgenwind ließ seinen Bart aufflattern.
    „Aber es ist so, glaube es mir, Odda“, bekräftigte Markgraf Gero, hoch ragend neben dem König, die Hand am Schwertknauf. Unter vier Augen war es auch ihm erlaubt, den Herrscher, den er von Kindheit auf kannte, zu duzen. „Ich habe alles von einem zuverlässigen Mann. Du kennst ihn, es ist Raban von der Boineburg, ein entfernter Vetter von mir. Da gibt es diese Schwureinung,
‚coniuratio‘
nennen sie sich großspurig, alle Burgherren aus der Gegend von Erfurt, Arnstadt und Dornburg … die treffen sich einmal im Jahr auf Burg Saalfeld. Dann wird gefressen, gesoffen und manches ausgeheckt, nicht immer Gutes. Die Kerle sind mir schon lange verdächtig, sie führen aufsässige Reden und wenn ich sie zu den Waffen rufe, gegen die Sorben oder die Milzener, haben sie hundert Ausreden. Fühlen sich stark, sind ja Genossen, haben sich Beistand zugeschworen. Sie halten ständig Verbindung, tauschen |191| Botschaften aus. Zum Glück gibt es Raban, so weiß ich immer Bescheid. Manchmal helfen sie sich gegenseitig aus Schwierigkeiten. Oder sie treiben Schabernack mit den Priestern und Mönchen. Oft ist es nur harmloser Unfug. Doch diesmal, Odda, wird es ernst!“
    „Aber was hat Heinrich mit denen zu tun?“, rief Otto. „Wie kam er dorthin? Zu Weihnachten war er noch hier. Dann wollte er nach Quedlinburg, die Mutter besuchen. Ich erlaubte es ihm. Sah keinen Grund, ihn länger festzuhalten.“
    „Die Mutter besuchte er“, sagte Gero. „Aber dann blieb er in der

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