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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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Euch weigern und nicht erscheinen, müsst Ihr wissen, dass Euch der König zum Feind des Reiches erklären wird!“
    Hadalt verbeugte sich knapp und verließ die Halle, ohne eine Antwort abzuwarten.

28
    Es wurde Frühling. Der Schnee schmolz, das Eis brach. Die ersten Kaufleute trafen in Magdeburg ein. Nach dem langen, harten, sehr kalten Winter wurden sie wie die Künder des wiedererwachenden Lebens begrüßt.
    Die beiden Friesen, Kanut und Redlef, waren hier seit langem bekannt und auch bei Hofe gern gesehen. Aus ihrer Kaufmannskolonie im ehemals dänischen Haithabu, das König Heinrich noch kurz vor seinem Tode dem Ostfränkischen Reich einverleibt hatte, waren sie über Hamburg mit mehreren Schiffen elbaufwärts gekommen. Das war kein geringes Wagnis wegen der anhaltenden Kämpfe auf beiden Seiten des Flusses und eines ihrer Schiffe war bei Lenzen verloren gegangen. Von kleinen, schnellen Booten umringt, war es von wendischen Kriegern ans Ufer gedrängt worden, ehe die Mannschaften der Wachboote eingreifen konnten.
    Otto empfing die Kaufleute wie alte Bekannte und ließ sich berichten. Im vergangenen Jahr waren Kanut und Redlef bis nach Bagdad gekommen, der berühmten Stadt des Kalifen. Von Wolin an der Odermündung aus waren sie über die Ostsee nach Birka in Schweden gesegelt, hatten dort Ware verkauft und neue geladen, um sie ins Reich der Waräger zu bringen, auch Rus genannt, in die großen, reichen Städte Nowgorod und Kiew. Von dort waren sie weit nach Osten zu den Wolgabulgaren vorgedrungen, dann auf den mächtigen Strömen Wolga und Don durch das Reich der |188| Chasaren zum Schwarzen Meer, über das sie – wieder unter Segeln – nach Trapezunt im Byzantinischen Reich gelangten. Von hier ging es weiter zu den Armeniern, Persern und Arabern, auf deren Handelsplätzen die auch im Abendland heiß begehrten Waren aus den fernen östlichen Riesenreichen der Inder und Chinesen zu haben waren. Auf einem verkürzten Reiseweg waren die beiden Friesen mit ihrem mehrhundertköpfigen Treck erst im späten Herbst zur Ostsee und nach Haithabu zurückgekehrt.
    Der König hörte den Kaufleuten aufmerksam zu, warf Fragen ein und ließ sich manches, was ihm wichtig schien, noch einmal ausführlicher wiederholen. Besonders interessierte ihn, wie die Herrscher in den fremden Ländern regierten, wie sie mit widersetzlichen kleineren Machthabern umgingen und über den Frieden in ihren Reichen wachten, den solche Herren bedrohten und störten. Er ermutigte Kanut und Redlef auch, aufrichtig über die Verhältnisse in seinem eigenen Reich sprechen. Nach Haithabu zurückgekehrt, hatten sie erfahren, dass die dortige Kaufmannskolonie während ihrer Abwesenheit im vergangenen Jahr empfindliche Verluste an Menschen und Handelsgut erlitten hatte. Nicht wenige ihrer Freunde waren von nachfolgenden Trecks tot am Wegesrand liegend gefunden worden. Ganze Kaufmannszüge waren im sächsisch-fränkischen Grenzgebiet spurlos verschwunden. Auf dem sonst einigermaßen sicheren Hellweg zwischen Dortmund und Paderborn hatte es so viele Raubüberfälle wie lange nicht mehr gegeben.
    Hinzu kam, dass die Straßen im Reich fast überall schlecht und bei regnerischem Wetter verschlammt waren. Wenn sie noch von den Römern vor Jahrhunderten angelegt waren, wurden sie nicht gewartet. Brücken, die abgebrannt oder von der Strömung weggeschwemmt waren, wurden nicht wiedererrichtet. Wenn solche Zustände im Reiche anhielten, warnten die Kaufleute ohne Scheu, würde es bald wie in der Zeit der großen Wanderungen zugehen. Auf den Märkten bei den Bistumskirchen und Klöstern würden sich nur noch die nächsten Nachbarn zu einfachen Tauschgeschäften einfinden. Mancher Handelsmann frage sich, ob er, wenn nichts geändert würde, nicht lieber auswandern sollte.
    Für König Otto war das ein bitterer Tropfen im Becher der Freude über die Ankunft der Kaufleute. Keine drei Jahre war er an der Macht, und sein Ostfränkisches Reich bewegte sich, wie diese klugen, weitgereisten Männer urteilten, zurück in die Zeit der Wanderungen, |189| der Gesetzlosigkeit, der Auflösung. Sein Vater hatte die vornehmste Aufgabe eines Königs, Frieden zu schaffen, vorbildlich erfüllt, er hatte den widersetzlichen Herzögen Schranken gesetzt und die äußeren Feinde besiegt. Das hatte ihn während seiner ganzen Regierungszeit von siebzehn Jahren in Anspruch genommen. Unter ihm, Otto, wäre beinahe schon im zweiten Jahr alles von König Heinrich Erreichte zusammengebrochen

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