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Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig

Titel: Abgründe der Macht - Roman über einen Sachsenkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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Orléans, in eine der prächtigen Residenzen des Hugo Magnus? Werde ich dann meine kleine Schwester, dieses Dummchen, um Asyl bitten müssen?“
    „Der Fall wird nicht eintreten!“, sagte Herzog Giselbert fest. „Mein Plan …“
    „Dein Plan! Was redest du von einem Plan? Du, der Fleisch gewordene Wankelmut, hättest je einen Plan gehabt?“
    Der Herzog ließ sich zu Füßen seiner Gemahlin an der Bordwand nieder und lächelte im Vorgeschmack der Überraschung, die er ihr bereiten wollte.
    |200| „In der Tat, so ist es meine Teure. Ich habe mir überlegt, dass es sehr mühsam und aufwendig sein würde, auch bei den Westfranken wieder aus der Vasallität herauszukommen. Die Erfüllung meines innigsten Wunsches, dir, meiner Göttin, meiner herrlichen Juno, die Krone des Königreichs Lothringen darzubieten, würde auf unendliche Schwierigkeiten stoßen, würde sich Jahr um Jahr hinziehen … und ich habe nicht so viel Geduld.“
    „Wozu hattest du je Geduld und Ausdauer, du schwächlicher Jupiter!“
    „Warte doch! Warum schimpfst du gleich wieder? Warum hörst du mich nicht erst einmal an? Da kommt nun Heinrich mit seinen zum Aufstand entschlossenen Sachsen. Eberhard schließt sich mit seinen Franken an. Der höchste Kirchenfürst im Reich, der Vertreter des Papstes, gibt, wie ich höre, seinen Segen. Ich stoße mit meiner Gefolgschaft hinzu. Wer steht Odda jetzt noch zur Seite? Die Schwaben? Möglich. Die Bayern? Kaum. Vielleicht machen die sogar mit. Wie kann Odda einer solchen Übermacht standhalten?“
    „Er hat das Königsheil und die Gnade des Himmels“, sagte Gerberga seufzend.
    „Das wird er erst noch beweisen müssen. Die Siege im vorigen Jahr fielen ihm zu, weil es keinen Widerstand gab. In einer großen Entscheidungsschlacht wird sich zeigen, wer die Gnade des Himmels hat. Für mich gibt es keinen Zweifel: wir!“
    „Und was soll dann werden? Willst du Heinrich huldigen? Soll die vierzehnjährige bayerische Bergziege Königin werden?“
    „Niemals!“, rief Giselbert und sprang auf. „Niemals! Denn die neue Königin des Ostfränkischen Reiches, die erhabene, wunderbare Augusta – die wirst
du
sein!“
    „Ich …?“
    Ein flüchtiger Glanz trat in die Augen der Herzogin. Doch gleich verzog sie wieder die Mundwinkel, warf einen verächtlichen Blick auf ihren Gemahl und sagte: „Aber dazu müsstest
du
ja erst König werden. Wie sollte das zugehen?“
    „Wie das zugehen wird?“, erwiderte er eifrig. „Auf die natürlichste Art und Weise! Nach dem Sieg über Odda wird das Reich einen neuen König brauchen. Die Herzöge werden ihn wählen. Wer käme in Frage? Etwa Heinrich? Du nanntest ihn ein unreifes Früchtchen. Nun, das ist er nicht mehr, aber er ist zu jung und unerfahren. Eberhard von Franken? Er wird sich Hoffnungen machen. |201| Doch er ist weit über fünfzig Jahre alt, fast ein Greis, und außerdem eine Spottfigur, wie du richtig bemerktest. Hermann, der Schwabe? Wird als Oddas Verbündeter zu den Verlierern gehören, muss froh sein, wenn wir ihm die Herzogswürde lassen. Der neue Bayernherzog Berthold? Hat zu Hause genug zu tun, wird von den racheschnaubenden Anhängern seines vertriebenen Neffen beschäftigt. Wer also ist der Mann, der als Einziger unter den Herzögen alles hat, was notwendig ist, um den Thron zu besteigen: reifes Mannesalter, große Kriegserfahrung, hohes Ansehen, beträchtliches Eigengut … Nun, was meinst du? Wer ist es?“
    Der Herzog sah seine Gemahlin erwartungsvoll an.
    Sie seufzte tief und ließ ihren Blick über das langsam vorüber gleitende hügelige Ufergefilde schweifen.
    „Ich gebe zu, der Gedanke, du würdest König des Ostreiches werden, hat etwas Verlockendes“, sagte sie. „Aber lassen wir das. Mit Odda werdet ihr nicht fertig. Ich kenne ihn und ich weiß, was ich sage. Ich würde wie er sein wollen, wenn ich ein Mann wäre. Und vielleicht würde ich ihn besiegen, wie es manchmal geschah, als wir noch Kinder waren … im Ringen, beim Wettreiten, beim Brettspiel. Ich würde mir selbst die Krone verschaffen. Doch ich bin leider nur eine Frau und darauf angewiesen, dass mein Gemahl sie für mich verdient. Eine ganz hoffnungslose Lage …“

32
    Es war spät am Abend, als sich das Herzogspaar und sein Gefolge an den steilen Aufstieg zur Burg Chèvremont machten.
    Man musste der undurchdringlichen Dunkelheit wegen den Reisewagen und die Pferde unten auf einem Gutshof lassen und den schmalen, gewundenen, von Fichten, Eichen, Buchen und hohem

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