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Abgründe - Wenn aus Menschen Mörder werden - Der legendäre Mordermittler deckt auf

Abgründe - Wenn aus Menschen Mörder werden - Der legendäre Mordermittler deckt auf

Titel: Abgründe - Wenn aus Menschen Mörder werden - Der legendäre Mordermittler deckt auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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unterstützt vom großen und kräftigen Koch. Angesichts der Übermacht unterließ es Sedar, sich zur Wehr zu setzen. Diesmal hätte er vielleicht den Kürzeren gezogen. Die Männer packten ihn gemeinsam und schoben ihn unsanft hinaus. Sedar war außer sich vor Wut. Noch nie war er so gedemütigt worden. Sie behandelten ihn wie den »letzten
Dreck«, wie einen Schwächling. Aber er rechnete sich keine Chance aus gegen die drei erwachsenen Männer. Obwohl er eines seiner Messer in der Tasche hatte. Sie stießen ihn die Treppe hinunter, schubsten ihn aus der Haustür, und der Vater von Nina versetzte ihm auch noch einen kräftigen Fußtritt gegen den Oberschenkel. »Lass dich nie mehr wieder hier blicken!«, schrie er ihm nach. »Du hast Hausverbot, und wenn du noch einmal hier auftauchst, rufe ich die Polizei!« Dann warf ihm der Kellner die Jacke nach und schlug die Haustür zu. Sedar stand draußen. Er kochte vor Wut, verdrehte die Augen und schwor Rache. »Du bist tot!«, brüllte er das Haus an und meinte den Vater von Nina.
    Nach diesem Rausschmiss habe er sich in der Stadt mit seinem Freund Robert H. getroffen und dann sei man in die Wohnung eines anderen Kumpels gefahren, wo man etwas getrunken und »geraucht« habe. Weil er aber an diesem Abend keinen Bock mehr hatte, sei er gegen 22.00 Uhr mit der Straßenbahn nach Hause gefahren. Eingestiegen sei er an der Haltestelle, die sich gleich vor dem Haus dieses Freundes befindet. Sein Freund Robert habe ihn begleitet und sei sogar noch eine Stunde bei ihm geblieben. Robert sei erst gegangen, als er schon im Bett gelegen habe. Seine Eltern seien nicht zu Hause gewesen, sie seien erst spät in der Nacht heimgekommen, soweit er noch wisse. Das stimmte, wie sich später herausstellen sollte. Die Eltern waren an dem Abend bei einer Veranstaltung ihres türkischen Kulturvereines gewesen.
    Sedar M. wurde festgenommen. Es erging Haftbefehl wegen zweifachen versuchten Totschlags und aller anderen Delikte, die er begangen und auch gestanden hatte. Der Mord an Dr. W. war ihm nicht nachzuweisen. Dafür
reichten die Indizien einfach nicht. Wir hatten auch nicht viel, was wir ihm hätten vorhalten können. Zumal er bei einer Gegenüberstellung mit unserem Obdachlosen von diesem nicht eindeutig wiedererkannt wurde. Franz W. hatte Sedar zwar zweimal hintereinander unter insgesamt sieben Vergleichspersonen als denjenigen bezeichnet, der dem Mann in der Tatnacht am ähnlichsten sah, aber das genügte eben nicht. Allerdings hatte ja unser Zeuge schon von vornherein gesagt, dass er ihn nur von der Seite gesehen habe. Bezüglich des Alters, der Größe und vor allem wegen des Haarzopfes sei er sich zwar ganz sicher, dass Sedar der Person entsprach, die er aus der Unterführung habe laufen sehen, aber das Gesicht habe er eben nicht gesehen. Das reichte nicht, um einen Haftbefehl zu bekommen. Vor allem auch deswegen nicht, weil er zudem einen Freund hatte, der ihm ein Alibi gab. Also begannen die Ermittlungen wegen dieses Verbrechens erst jetzt so richtig, getragen von der Hoffnung, dass sich seine Entlastungszeugen dem »Lichte der Wahrheit« zuwenden würden, wenn Sedar erst einmal aus dem Verkehr gezogen war. Wahrscheinlich sogar für immer, da ihm nach Verbüßung der Haft die Abschiebung in die Türkei drohte. Vorausgesetzt, die Strafe würde höher als drei Jahre ausfallen.
    Sedars Freund Robert H. war ein Junkie wie aus dem Bilderbuch: labil, träge, fertig und ständig auf der Suche nach Stoff. Die Beschaffung bestimmte seinen gesamten Tagesablauf. Gewöhnlich ist es nicht schwer, aus diesen Leuten die Wahrheit herauszubekommen. Sie sind nicht in der Lage, lange Widerstand zu leisten, weder körperlich noch geistig. Aber das auszunutzen, verbietet unsere Rechtsordnung, und das ist gut so. Abgesehen davon
nützt eine Aussage nichts, wenn sie nicht von Glaubwürdigkeit (personenbezogen) und Glaubhaftigkeit (inhaltsbezogen) getragen ist. Sie würde nämlich vor Gericht »nicht halten«, wie man es juristisch ausdrückt. Und nur darauf kommt es an. Denn vor Gericht wird über Schuld oder Unschuld entschieden. Wir Polizisten bzw. Ermittler sind eigentlich nur die Sammler, die unter Aufsicht der Staatsanwaltschaft arbeiten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
    Polizeibeamte tragen für den Abschluss eines Strafverfahrens eine hohe Verantwortung. Das kann niemand in Abrede stellen. Egal, ob ein Fall mit einer Verurteilung oder einem Freispruch endet, das Ergebnis der polizeilichen

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