Abgründe - Wenn aus Menschen Mörder werden - Der legendäre Mordermittler deckt auf
Sie lebten völlig isoliert. Aber sie waren beide einfach nicht stark genug, ihr Leben in den Griff zu kriegen. Die Mutter bekam seit jeher Sozialhilfe, und damit war auch das Geld knapp, zumal er seiner Mutter oft auch noch ihren letzten Cent aus der Tasche zog.
Er war natürlich schon häufig wegen Diebstahls in Erscheinung getreten und noch häufiger wegen Drogenbesitzes. Ab und zu war er auch schon in Haft, aber jeweils nur kurz. Bei ihm machte es die Masse der Delikte, nicht die Schwere. Er war ausschließlich im sogenannten Ameisenhandel aktiv. Reine Beschaffungskriminalität eben. Man dealt und deckt mit dem geringen Profit den eigenen Bedarf. Wenn es mal nicht reicht, klaut man. Andere rauben und morden deswegen sogar. Er aber war nicht ein einziges Mal wegen Körperverletzung oder sonstiger Gewaltdelikte auffällig geworden.
Diesen Robert mussten wir im Auge behalten. Eines Tages würde er so weit sein und die Wahrheit sagen. Denn in einem Punkt waren wir uns sicher: Sedar M. war nie alleine, wenn er Straftaten beging. Er brauchte seine Fangemeinde um sich, wenn er zuschlug. Es gab also immer Mittäter und Mitwisser. Und manchmal neigte er auch zur Prahlsucht.
Die Aussagen der Zeugen konnten Sedar leider nicht mehr vorgehalten werden. Hatte er doch längst einen Anwalt, der seinen Mandanten vor dem Zugriff der bösen Polizei abschirmte, indem er ihm einbläute, er solle gar nicht erst aus der Zelle gehen, wenn die »Bullen« auftauchten. Damit hatten wir keine Chance, an ihn heranzukommen.
Bei der Durchsuchung seiner Wohnung fanden sich zwei
Butterfly-Messer, ein drittes fehlte. Aufgrund mehrerer zuverlässiger Zeugenaussagen stand fest, dass Sedar bis einen Tag vor der Tat im Besitz dreier dieser Messer war. Es lagen sogar detaillierte Beschreibungen vor und sogar die Namen waren bekannt, die er seinen Lieblingen gegeben hatte, nämlich »Jack«, »Hannibal« und »Freddy«. In Anlehnung an die Film-Mörder »Jack the Ripper«, »Hannibal Lector« und schließlich »Freddy Krüger« aus Horrorfilmen namens »Nightmare«. Zudem besaß er eine Unmenge an Killerspielen der allerübelsten Sorte.
Die Lederjacke, die Sedar am Tattag getragen hatte, konnten wir sicherstellen. Leider ließ sich nicht mehr feststellen, welche Hosen, welches Poloshirt und welche Schuhe er damals getragen hatte. Er besaß mehrere davon und ob welche fehlten, konnte niemand sagen, auch die Mutter nicht. Aber trotz intensiver Untersuchung sämtlicher Kleidungsstücke konnte keine tatrelevante Spur gefunden werden. Auch nicht an der Lederjacke.
Eine Anklage wegen Mordes an Dr. Manfred W. war nicht möglich, weil das Alibi von Sedar M. nicht widerlegt werden konnte. Juristen brauchen eben Beweise oder eine schlüssige Indizienkette. Letztere wäre zwar vorhanden gewesen, aber dieser entscheidende Pflichtpunkt fehlte. Also konnte es auch keinen Haftbefehl geben, und so lautete die Anklage »nur« auf versuchten Totschlag in zwei Fällen, Vergewaltigung in zwei Fällen und diverser anderer Straftaten wie Raub und schwerem Diebstahl.
Bereits drei Monate nach seiner Festnahme fand die Hauptverhandlung statt. Sedar bekam fünf Jahre Freiheitsstrafe. Da er zu den einzelnen Tatzeitpunkten bereits
18 Jahre, aber noch nicht älter als 21 Jahre war, galt er als Heranwachsender und hätte eigentlich nach Erwachsenenrecht angeklagt werden müssen. Der psychiatrische Gutachter hatte aber festgestellt, dass bei Sedar eine ausgeprägte Persönlichkeitsstörung mit dissozialen und emotional instabilen Persönlichkeitszügen vorliege sowie ein chronischer, polivalenter Suchtmittelmissbrauch, ohne dass es jedoch zu einer Abhängigkeit im eigentlichen Sinne gekommen sei. Diese Verhaltensweisen seien nach Ende der Schulzeit aufgetreten und hätten durchgehend bis zur Verhaftung angehalten. Schuld seien die Eltern gewesen, die ihm keine Zeit gewidmet, keine Liebe gegeben und nur gearbeitet hätten. Eine schwere andere seelische Abartigkeit sei festgestellt worden, ohne dass deswegen aber die Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt gewesen sei. Man habe vermehrte Impulsivität, leichte Verführbarkeit, innere Gespanntheit, mangelnde Frustrationstoleranz und aggressive Anspannung festgestellt, sodass von einer deutlichen Reifeverzögerung auszugehen sei. Deswegen sei das Jugendrecht anzuwenden.
Die Verhandlung gegen ihn war ganz schnell über die Bühne gegangen, keiner von uns war als Zeuge geladen. Und genauso heimlich still und leise wurde er
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