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Abgründe - Wenn aus Menschen Mörder werden - Der legendäre Mordermittler deckt auf

Abgründe - Wenn aus Menschen Mörder werden - Der legendäre Mordermittler deckt auf

Titel: Abgründe - Wenn aus Menschen Mörder werden - Der legendäre Mordermittler deckt auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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unerwartet aus, als die Sprache auf den Mord im Tunnel kam. Als ihm der Kollege, der ihn ermittelt hatte, auf den Kopf zusagte, dass er auch wegen dieses Mordes überprüft würde, geriet er in heftige Erregung. Er sprang auf und wollte auf den Beamten losgehen. Der zweite Kollege warf sich dazwischen und hielt ihn auf. Sedar zischte: »Kennst du das Schweigen der Lämmer? Dir schlitz ich den Bauch auf! Irgendwo erwische ich dich, dann bist du tot!« Die Vernehmung musste abgebrochen werden. Es war keine Kommunikation mehr möglich. Ich übernahm.
    Mit seinen 18 Jahren hätte Sedar rein theoretisch mein Sohn sein können. Auch wenn ich bei Weitem nicht so alt war wie sein damals bereits 60-jähriger Vater. Irgendwie respektierte er mich daher ein bisschen mehr als die beiden
jüngeren Kollegen. Immerhin. Er hatte nichts dagegen, dass ich ihn duzte, und er blieb stets beim »Sie«. Wie sich das gehörte. Nie hätte ich ihm erlaubt, mich zu duzen. Ich war nie mit Zeugen oder Beschuldigten per du. Professionelle Distanz nennt man das. Und bei allem Verständnis und Einfühlungsvermögen, das man braucht: Auf Augenhöhe möchte ich eigentlich nur mit Menschen verkehren, die mir nahestehen und die ich mag.
    Es gelang mir, eine gewisse Vertrauensbasis zu schaffen, und er tat etwas, was er normalerweise nicht getan hätte. Er redete. Aber nicht nur das. Er gestand auch noch. Und zwar alle Straftaten, die er begangen hatte. Oder besser gesagt, fast alle. Zwei versuchte Tötungsdelikte, zahlreiche Körperverletzungen, zwei Raubüberfälle und sogar die Vergewaltigungen eines 16-jährigen Mädchens. Es hatte den Anschein, als mache er reinen Tisch und lege eine Lebensbeichte ab. Dabei war er aussageehrlich, wie man es selten erlebt, und schien sich in keiner Weise zu schonen. Das ist ungewöhnlich, bekommt man doch von nahezu allen Tätern nur deren gefilterte Wahrheit zu hören, was auch deren Recht ist. Natürlich versucht jeder, zu beschönigen, sich zu rechtfertigen, die Schuld auf andere abzuwälzen und sich besser zu machen, als er ist. Insofern war es schon sehr außergewöhnlich, dass sich ausgerechnet dieser aggressive Typ wie ein reuiger Sünder verhielt. Obwohl er vorher noch dem Kollegen gedroht hatte, ihn aufschlitzen zu wollen.
     
     
    Sedars Laufbahn hatte typisch begonnen, ja fast schon klassisch, mit einfachen Diebstählen, Kaufhaus- und Ladendiebstählen en masse, wobei er zwar oft erwischt
wurde, was aber nie irgendwelche Folgen für ihn hatte. Weder seitens des Jugendamtes noch des Elternhauses noch der Schule. Dann folgten einfache Diebstähle und schließlich Ein- und Aufbrüche. Vermischt natürlich mit kleineren Verfehlungen wie Sachbeschädigungen, Körperverletzungen, Erpressungen, falschen Verdächtigungen, falschen uneidlichen Aussagen und Strafvereitelungen, wobei letztere Delikte eben der Gruppendynamik zuzuschreiben waren, der er nun einmal unterlag und der man schließlich Rechnung tragen musste. Man verrät Mittäter nun einmal nicht. Nicht einmal vor Gericht. Auch wenn es dort strafrechtliche Folgen haben kann. Was hin und wieder auch der Fall war, allerdings ohne ernsthafte Konsequenzen. Denn dort hat man Verständnis für die Sorgen und Nöte der jungen Leute. Schließlich steht der Erziehungsgedanke im Vordergrund und nicht das Strafrecht. Amen.
    Insgesamt 25 Strafverfahren waren gegen Sedar eröffnet worden, wobei man ruhig davon ausgehen darf, dass die sogenannte Dunkelziffer mindestens um das Zehnfache höher lag. Allein die Zahl der Menschen, die von ihm »ein paar in die Fresse bekamen«, lag im hohen zweistelligen Bereich und betraf Erwachsene genauso wie Jugendliche und sogar Kinder. Weil nämlich kaum ein Tag verging, an dem er nicht zuschlug. Auch ohne den geringsten Anlass. Zumal ihn seine Erfahrungen mit den Behörden in seiner Ansicht bestärkten, dass ernsthafte Konsequenzen kaum zu befürchten seien. Jedenfalls war bisher immer von der Verfolgung nach § 45 JGG (Jugendgerichtsgesetz) abgesehen worden oder die Verfahren wurden nach § 47 JGG eingestellt.
    Die kriminelle Energie steigerte sich, und die Straftaten
wurden gravierender. Es gipfelte in einer Vergewaltigung und in zwei versuchten Tötungsdelikten. Als er die dunkelhäutige, bildschöne, 16-jährige Gymnasiastin Agnetha kennenlernte, war er gerade 18 Jahre alt geworden. Das Mädchen bewunderte ihn, weil ihn alle anderen bewunderten. Im Appartement eines Kumpels vergewaltigte Sedar die Schülerin, die noch Jungfrau

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