Abgründe - Wenn aus Menschen Mörder werden - Der legendäre Mordermittler deckt auf
Sexualität und Gewalt kompatibel und praktikabel sind. Eine Alternative zur Kombination von Sexualität und Zärtlichkeit eben. Das könnte die Lösung sein, überlegte er. Es komme nur auf seine eigenen Bedürfnisse an. Die Frau müsse er als reines Objekt der Begierde betrachten, dessen man sich gewaltsam bemächtigt.
Weil er natürlich wusste, dass wohl keine Frau bereit sein würde, sich ihm freiwillig einfach so hinzugeben, bliebe wohl nur eine Lösung: Vergewaltigung. Obwohl er für körperliche Auseinandersetzungen einfach nicht geschaffen sei. Er hielt sich für einen Mann des Geistes, des scharfen Verstandes. Deshalb hatte er auch den Sportunterricht in der Schule gehasst, denn Sport war für ihn auch nichts anderes als körperliche Gewalt. Abgesehen davon, dass er beim Sportunterricht dem Hohn und Spott seiner Mitschüler in besonderem Maße ausgesetzt war, weil er sich so unbeholfen angestellt hatte.
Sein Plan stand also fest. Er musste nur noch eine geeignete Örtlichkeit finden, wo er eine Frau überfallen und vergewaltigen konnte. Hilfeschreie seines Opfers, so seine Überlegung, müsse er natürlich sofort im Keim ersticken. Am besten durch einen Überraschungsangriff. Zunächst mit Tränengas und dann durch den Einsatz eines Messers, überlegte er. Ja, so müsste es funktionieren. Er müsste ein Gebäude, ein Appartement finden, in dem eine Frau alleine lebt. Er würde läuten, sie würde öffnen. Er würde ihr Tränengas ins Gesicht sprühen. Und wenn sie schrie, würde er das Messer einsetzen, um sie schnell zum Schweigen zu bringen. Dann könnte er sie ohne die geringste Gegenwehr und ohne dass sie ihn und seine Unerfahrenheit überhaupt wahrnehme, in aller Ruhe vergewaltigen. Wie das genau funktionierte und wo er sein Glied einführen müsste, wusste er natürlich. Wenn auch nur rein theoretisch. Jetzt musste er nur noch das geeignete Objekt suchen und dort ein passendes Opfer finden. Allein der Gedanke daran erregte ihn. Er musste onanieren.
Christine S. öffnete die Augen. Sie wusste nicht, wo sie war, registrierte nur langsam, dass sie in einem Krankenzimmer lag. Panik erfasste sie. Was war geschehen? Dann sah sie ihre Mutter. Diese beugte sich über sie und sprach leise und zärtlich auf sie ein. Sie hatte verweinte Augen. Nach und nach erst kam die Erinnerung zurück. Das Letzte, woran sie sich erinnerte, waren ihre brennenden Augen. Sie sah den Mann vor sich, sein zur Fratze verzerrtes Gesicht. Sie wusste noch, dass sie schrie, und dann spürte sie nur noch Schläge gegen ihren Rücken. Aber keine Schmerzen.
Die 23-jährige Frau war vier Tage vorher, am Donnerstagabend, 8. Oktober, gegen 17.00 Uhr, blutüberströmt in ihrem Appartement im vierten Stock des Studentenwohnheimes im Olympiadorf gefunden worden. Sie lag am Boden, die Tür stand weit offen. Mitstudenten hatten ihre gellenden Schreie wahrgenommen und nachgesehen. Allerdings nur zögerlich, sodass sie auch den Mann nicht mehr bemerken konnten, der davonrannte. Die einzelnen Stockwerke des Hochhauses konnte man per Lift oder über die Treppe erreichen. Dort gingen dann jeweils links und rechts die langen Flure weg zu den beiderseits angeordneten Zimmerchen, ca. 20 auf jeder Seite. Es waren um diese Zeit nicht viele Bewohner zu Hause.
Das Appartement von Christine S. lag ganz am Ende des Flures auf der rechten Seite, wenn man den Gang betreten hat, der nur durch eine offenstehende Glastür vom Treppenhaus abgetrennt war. In den unmittelbaren Nachbarzimmern war zum Zeitpunkt der Tat niemand anwesend.
Der Notarzt war sehr schnell da. Er stellte zahlreiche Einstiche im Rücken fest. Die Frau hatte bereits viel Blut verloren. Sie war nicht mehr ansprechbar. Schon 20 Minuten später lag sie im nahen Schwabinger Krankenhaus auf dem Operationstisch. Sie benötigte Bluttransfusionen. Insgesamt zwölf Einstiche wurden gezählt, jeder einzelne davon hätte tödlich verlaufen können, wäre sie nicht so rasch ärztlich versorgt worden.
Christine S. studierte Medizin an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU). Sie wollte Kinderärztin werden. Noch zwei Semester und sie hätte es geschafft gehabt. Die junge, hübsche Frau kam aus Helmbrechts, einer kleinen Stadt in Oberfranken. In München
hatte sie sich wohl gefühlt, auch wenn sie an den Wochenenden regelmäßig zu ihren Eltern nach Hause fuhr. Der Vater war Arzt, die Familie gut situiert. Sie hatte noch einen jüngeren Bruder, der das Gymnasium besuchte und in
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