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Abgründe - Wenn aus Menschen Mörder werden - Der legendäre Mordermittler deckt auf

Abgründe - Wenn aus Menschen Mörder werden - Der legendäre Mordermittler deckt auf

Titel: Abgründe - Wenn aus Menschen Mörder werden - Der legendäre Mordermittler deckt auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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einem Jahr sein Abitur machen würde. Eine heile Welt also, die mit einem Male zerstört worden war. Ganz plötzlich und unerwartet. Aber es sollte noch schlimmer kommen, als es ohnehin schon war.
    Mehrere Ärzte kamen in ihr Zimmer und überbrachten ihr im Beisein ihrer Mutter, die es schon wusste und die deshalb ihre Tränen nicht zu stoppen vermochte, eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute war, dass sie außer Lebensgefahr sei. Die schlechte war, dass sie dennoch nie mehr ganz gesund werden würde, weil sie leider eine kontaminierte Blutkonserve erhalten hatte. Anders ausgedrückt: Das Fremdblut, das ihr durch Transfusionen zugeführt worden war, sei mit Hepatitis B infiziert gewesen. Was das bedeutete, musste man ihr nicht erklären. Als Medizinstudentin wusste sie, dass es ein Leben mit stark eingeschränkter Lebensqualität bedeuten würde, wolle sie keinen schweren Leberschaden erleiden. Ein Diät-Leben also, ohne all das, was das Leben eigentlich lebenswert macht.
    Obwohl die Münchner Mordkommission in den vergangenen Tagen auf Hochtouren ermittelt hatte, wurden keinerlei Hinweise auf einen möglichen Täter gefunden. Dutzende von Zeugen waren befragt worden, und die Spurensicherung war noch immer damit beschäftigt, Fingerspuren nicht nur am unmittelbaren Tatort, sondern im ganzen Haus zu suchen. Überall dort eben, wo nach menschlichem Ermessen der Täter solche hinterlassen haben könnte. Im Aufzug beispielsweise oder an der gläsernen,
aber nie verschlossenen Zugangstür, die das Treppenhaus von den einzelnen Fluren abtrennte. Ein schier aussichtsloses Unterfangen angesichts der Tatsache, dass in dem Haus täglich Hunderte von Menschen aus- und eingingen. Aber vielleicht, so die Hoffnung, hätte sich ja eine Spur gefunden, die in der Verbrecherdatei schon registriert war. Auch die sofortige Fahndung nach dem Täter im gesamten Münchner Norden war erfolglos geblieben. Was natürlich auch daran lag, dass man gar nicht so recht wusste, wie die Person aussah, nach der man suchte. Nur eine einzige Zeugin hatte einen Mann über den Parkplatz wegrennen sehen und konnte sagen, dass es ein jüngerer Mann gewesen sein dürfte, der eine Art Parka trug. Nicht viel für eine Sofortfahndung.
    Die erste Frage, die sich Ermittler in einem solchen Fall stellen: War es eine Beziehungstat oder war Christine S. ein Zufallsopfer? Rein statistisch wäre Ersteres wesentlich wahrscheinlicher. 80 Prozent aller Tötungsdelikte sind Beziehungstaten. Darunter versteht man, dass zwischen Täter und Opfer eine mehr oder weniger enge, aber gegenseitig wahrgenommene Vorbeziehung bestand. Angefangen vom rein nachbarschaftlichen Verhältnis bis hin zur Partnerschaft. Das bedeutete natürlich, dass man das gesamte Umfeld der jungen Studentin unter die Lupe würde nehmen müssen, und zwar nach dem alten kriminalistischen Grundsatz: Ermittlungen von innen nach außen. Beginnend bei den engsten Bezugspersonen und sich sukzessive ausdehnend bis an den äußersten Rand ihres persönlichen Umfeldes. Parallel dazu durften natürlich auch all die anderen Eventualitäten und Möglichkeiten nicht vernachlässigt werden, denn bei unbekannter Täterschaft ermittelt man in alle Richtungen.

    Zwei Beamte der Mordkommission durften am 13. Oktober mit Christine S. reden. Es war unglaublich, aber sie war wieder voll ansprechbar. Eine tolle Leistung der Ärzte, sieht man von dem Unglück mit der Bluttransfusion ab. Die Beamten hatten einen Kollegen aus dem Bayerischen Landeskriminalamt mitgebracht. Einen Polizeizeichner, der nach den Angaben der Zeugin ein Phantombild fertigen sollte, korrekt Fahndungsporträt genannt.
    Christine S. hatte das Bild des Täters vor sich. Wenn auch nur verschwommen. Aber in einem war sie sich absolut sicher: Er war noch sehr jung, hatte aber bereits eine Vollglatze mit Haarkranz. Zwei Stunden dauerte die Arbeit, dann war die Skizze fertig. Der Zeichner wollte das Bild noch einmal überarbeiten. Die Ermittler begannen mit der Vernehmung. Und Christine S. öffnete sich. Ihr war bewusst, sie würde diesen Vorfall nur verarbeiten können, wenn sie wüsste, wer ihr das angetan hat und warum. Deshalb würde sie den Beamten auch alles sagen, was es zu sagen gäbe. Auch wenn sie den Mann, der sie angegriffen hat, noch nie zuvor gesehen hatte. Dennoch breitete sie ihr gesamtes bisheriges Leben aus und erzählte von sämtlichen Liebschaften und Beziehungen, die sie bislang hatte. Sie habe derzeit keinen festen Freund, es

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