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Abgründig (German Edition)

Abgründig (German Edition)

Titel: Abgründig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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ja, ich bin ja wirklich gerne mit dir zusammen, aber ich könnte mir eine bessere Umgebung dafür vorstellen. Was ist eigentlich mit Jenny? Ihr habt euch doch die ganze Zeit unterhalten.«
    Lena sah kurz zu Jenny und senkte die Stimme noch weiter. »Genau das, was ich mir schon gedacht hatte. Sie hat gerade eine Beziehung zu einem Typen hinter sich, der wohl um einiges älter war als sie. Er hat sie von morgens bis abends kontrolliert und war rasend eifersüchtig. Jetzt reagiert sie allergisch, wenn jemand ihr sagt, was sie tun soll.«
    Tim nickte. Das konnte er verstehen.
    »Denkst du, der Sturm ist morgen früh überstanden?«, fragte Julia.
    Tim hob die Schultern. »Keine Ahnung, ich kenne mich mit dem Bergwetter nicht aus.«
    »Ralf auch nicht«, bemerkte Sebastian neben ihm. Er hielt Tim eine neue, noch fast volle Wodkaflasche hin. Tim nahm sie und trank zwei, drei große Schlucke. Er vertrug nicht viel, aber das war ihm im Augenblick egal. Irgendwie mussten sie die Nacht ja herumbekommen. Mit genügend Alkohol im Blut würden sie es vielleicht eher mit Humor nehmen.
    Tim ahnte nicht, wie sehr er sich irrte.

17
    Innerhalb der nächsten halben Stunde war die zweite Flasche leer, und Lucas zögerte nicht, die dritte aus dem Rucksack zu ziehen und gleich wieder rund zu geben.
    Alle tranken mit und nach kurzer Zeit verfielen sie in eine übermütige Stimmung. Jenny und Julia kicherten über jeden Satz, wobei Julia sich dabei meist eine Hand vor den Mund hielt. Lena war verhältnismäßig ruhig. Sie hatte bisher am wenigsten getrunken, aber sie schien auch am wenigsten zu vertragen. Auf ihrem Gesicht und am Hals waren deutliche rote Flecke zu sehen, ihre Augen waren glasig und die Lider schienen ein Stück weit geschlossen zu sein. Wenn Tim etwas zu ihr sagte, grinste sie ihn entweder nur an oder gab ihm einsilbige Antworten.
    Lucas konnte kaum noch aufrecht sitzen und stieß in immer kürzeren Abständen schnaubend den Atem aus. Dabei verdrehte er die Augen so sehr, dass Tim gar nicht mehr hinschauen mochte. Sogar Sebastian schien seine Aggressivität abgelegt zu haben und blödelte mit Julia herum.
    Tim spürte die Wirkung des Alkohols deutlich. Es schien ihm, als hätte alles um ihn herum an Stabilität verloren. Nicht nur die kleinen Flammen der Kerzen tanzten vor seinen Augen, sondern auch die Kerzen selbst. Der Boden schien ein seltsames Eigenleben zu führen und immer mal wieder hin und her zu schaukeln. Übermütig hatte Tim einen Arm um Lenas Schulter gelegt und sie zu sich gezogen. Sie hatte sich nicht dagegen gewehrt, was Tim ein zusätzliches Hochgefühl verschaffte. Ralf war wieder zu alter Form aufgelaufen und erzählte prahlerische Geschichten von früheren Bergtouren mit seinem Vater. Denis ließ hier und da einen seiner zynischen Kommentare fallen, aber die anderen ignorierten sie entweder völlig oder griffen sie auf und machten sich darüber lustig.
    Es schien, als ob alle sich so weit im Griff hatten, dass keine Gefahr einer erneuten Eskalation bestand. Es war ausgerechnet Fabian, der den Anstoß dazu gab, dass sich das änderte, als er sagte: »Ich muss mal«, mit ungelenken Bewegungen aufstand und erst einen langen Moment schwankend stehen blieb, bevor er sein Gleichgewicht offenbar so weit wiedergefunden hatte, dass er den weiteren Vormarsch wagte.
    Anders als Tim es erwartet hatte, ging er jedoch nicht zur Eingangstür, sondern steuerte auf den Durchgang zum Nebenraum zu. Bevor er die Schwelle erreicht hatte, rief Ralf ihm hinterher: »He, wo willst ’n du hin? Die Tür nach draußen ist da vorne. Auf geht’s!«
    Fabian stoppte, schwankte einmal vor und wieder zurück und drehte sich dann langsam um. Sein Blick wirkte unruhig, so als wüssten seine Augen nicht, worauf sie sich richten sollten.
    »Ich geh nicht raus«, lallte Fabian so sehr, dass er nur schwer zu verstehen war. »Zu kalt und … zu nass. Da drin ist ein prima Kistenklo.«
    »Bäh, das ist ekelhaft«, sagte Julia.
    »Das machst du auf keinen Fall«, stellte Ralf klar. Auch er hatte Probleme mit der Artikulation, aber er war noch besser zu verstehen als Fabian. »Wir wollen hier schlafen. Du gehst raus wie jeder andere.«
    Fabian hob den Zeigefinger wie ein Lehrer, der etwas Wichtiges zu sagen hatte. »Wollen wir nicht. Aber müssen wir. Weil … wegen dir. Du bist kein guter Bergführer. Du bist nicht mal sehr schlau. Und weil du nicht so schlau bist, lasse ich mir von dir auch nicht sagen, wo ich aufs Klo gehen soll.

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