Abgrund der Lust
den Kamin hinauf.
Es kam ihr vor, als sei ein Leben vergangen, seit sie in dieses Feuer gestarrt hatte.
»Ich will versuchen, mich von dir berühren zu lassen, Victoria.« Gabriels Stimme war erstickt, seine Worte richteten sich an die Flamme, die langsam die frischen Scheite umzüngelte.
Er würde versuchen, sich von ihr berühren zu lassen.
Er würde versuchen, sie nicht sterben zu lassen.
Aber er konnte ihr beides nicht versprechen.
»Ich würde dir gern angenehme Erinnerungen geben, um die schmerzlichen zu ersetzen, Gabriel.«
Gabriel drehte sich zu ihr um. »Jedes Mal, wenn du einen Höhepunkt hast, gibst du mir andere Erinnerungen.«
Sie würde nicht weinen.
Victoria schaute zu, wie Gabriel wortlos zu ihr kam, seine langen Beine die Entfernung überwanden, sein praller bitte in die Luft ragte. »Ich hatte noch nie einen Mann gesehen, bevor ich meine Stelle verlor. Vor fünf Monaten sah ich einen an einer Straßenecke. Ich merkte gar nicht, dass seine Hose offen war. Ich dachte, er hätte ein Würstchen aus der Tasche hängen.«
Gabriel blieb vor ihr stehen. Das Fleisch, das vor ihr in die Luft ragte, war unverwechselbar. »Es gibt einen französischen Ausdruck: andouille à col roulé .«
Victoria legte den Kopf in den Nacken. »Was heißt das?«
»Wurst mit heruntergerolltem Kragen«, erklärte Gabriel ernst.
Die beiden Lederbeutel unter seiner Männlichkeit waren straff.
»Wie nennt man die …« Victoria schluckte und erinnerte sich an die Sprache auf englischen Straßen. »… die Eier eines Mannes in Französisch?«
» Noisettes .« Haselnüsse. » Noix .« Nüsse. » Olives .« Oliven. » Petites oignons .«
Victorias Augen runzelten sich zu einem plötzlichen Lachen. »Kleine Zwiebeln?« Als Antwort funkelte ein Lachen in den tiefen von Gabriels Augen. » Croquignoles .«
»Kekse«, übersetzte sie.
Das Lachen verschwand abrupt aus seinem Blick. » Bonbons .«
Unwillkürlich schweifte Victorias Blick zum Gegenstand ihres Gesprächs. »Ich mag den Geschmack von Bonbons.«
Zögernd streckte sie einen neugierigen Finger aus. Gabriels Hoden waren furchig und so rau wie das behaarte Leder, dem sie ähnlich sahen.
Reine, rohe Kraft durchströmte Victoria. Sie stammte nicht von ihr.
Langsam hob Victoria die linke Hand. Sie schaute Gabriel in die Augen und leckte mit einem bewussten Zungenschlag an ihrer Fingerspitze. »Sie schmecken nicht wie petites oignons , Sir.«
Noch nie hatte Victoria nackte Begierde in den Augen eines Mannes gesehen; nun sah sie sie in Gabriels Augen.
»Wie schmecke ich denn, Mademoiselle Childers?«, fragte er heiser.
Victoria kostete noch einmal an ihrem Finger. »Ich würde sagen, Sie schmecken nach … les noix de Gabriel.« Den Nüssen Gabriels.
Das Lachen sprang unvermittelt in seine Augen, Licht vertrieb die Dunkelheit.
Sofort ließ sie die Hand sinken, die Füße sittsam auf dem Boden, die Brüste heiß und schwer. »Vielen Dank.«
»Wofür?«, fragte Gabriel angespannt; jeder Muskel seines Körpers spannte sich, wie um Schmerz abzuwehren.
»Dass du mir erlaubst, eine Frau zu sein.«
Statt sie als Hure zu bezeichnen, wie jeder Gentleman es getan hätte.
Eben noch saß Victoria vor Gabriel, im nächsten Augenblick schwebte sie in der Luft. Das Quietschen der Bettfedern umgab sie. Mit Schwung landete sie zwischen Gabriels Beinen und spürte muskulöse Schenkel um ihre Hüften.
»Danke mir niemals, Victoria.«
Gabriels Stimme war barsch.
Victoria öffnete den Mund zu einer Erwiderung. Elfenbeinzähne zerrten durch verknotete Haarsträhnen. Sie klammerte sich an feste, haarige Schenkel, grub die Fingernägel in muskulöses Fleisch, die ihren Schmerz teilten. Die Elfenbeinzähne des Kammes arbeiteten sich durch die verknoteten Strähnen.
Victoria rührte sich nicht, überwältigt von Erinnerungen. Ihre Mutter hatte ihr die Haare gebürstet.
Das V der Beine Gabriels strahlte Hitze aus.
»Wie nennt man auf Französisch die Brüste einer Frau?«, fragte sie unvermittelt.
» Melons .«
»Melonen«, übersetzte Victoria. »Das ist sehr … komisch. Jedenfalls viel besser als Apfelklöße.« Ein auf den Londoner Straßen gebräuchlicher Ausdruck.
Plötzlich brannten Tränen in ihren Augen. Der kleine Schmerz, als ein weiterer Haarknoten sich löste, ging augenblicklich im Gleiten des Elfenbeins unter.
» Miches «, murmelte Gabriel.
Victoria grinste. »Brotlaibe.«
Die Grundlage jeder Ernährung.
» Ananas .«
Victorias Fingernägel gruben
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