Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abgrund der Lust

Abgrund der Lust

Titel: Abgrund der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Schone
Vom Netzwerk:
körperlich. Victoria behielt ihren Schmerz für sich und trat zurück. Ihr linker Absatz knickte um. Unwillkürlich griff sie Halt suchend nach … dem weißen Tuch. Haarnadeln regneten auf die schwarze Marmorplatte.
    Sie schlug schwer auf den Schreibtisch und starrte durch zwei dunkle, leblose Haarsträhnen auf einen Revolver. Der Griff war aus Rosenholz geschnitzt, der Lauf matt blauschwarz. Er hatte die gleiche Farbe wie das Haar ihres Vaters, stellte sie benommen fest. Dann war nur noch das matt blauschwarze Metall zu sehen, das Holz verschwand in langen, eleganten Fingern.
    Victoria riss den Kopf hoch, ließ die Serviette fallen und schob sich vom Schreibtisch fort.
    Licht flutete in die Pupillen des Mannes, bis sie nur noch zwei kleine schwarze Punkte waren und seine Augen die Farbe geschmolzenen Silbers hatten. Es lag keine Leidenschaft in ihnen. Kein Mitgefühl. Keine Spur der Intimitäten, die er gesagt hatte.
    Das Bild ihrer Leiche, nur in rutschenden Strümpfen undausgetretenen Stiefeletten, blitzte in ihrem Kopf auf. Sie wollte nicht, dass man ihre Leiche in rutschenden Strümpfen, ausgetretenen Schuhen und mit zerzaustem Haar fand.
    Worte drängten ihr auf die Zunge; sie schluckte sie. Sie hatte gesagt, sie würde nicht betteln.
    »Werden Sie mich töten?«, fragte Victoria ruhig.
    Statt einer Antwort knarrte Holz. Der Mann mit den silbergrauen Augen stand geschmeidig auf und schob die Waffe in ein Holster unter seinem Arm; braunes Leder glänzte, wurde aber sofort wieder von seinem Frack verschluckt. Er drehte sich um, ging um den Schreibtisch herum über den kastanienbraunen Plüschteppich, wobei seine Frackschöße flatterten. Er hob ihre Kleider auf. Straffe Hinterbacken spannten die schwarze Seidenhose.
    Seide und Wolle schlug an ihre Brust.
    Wie aus einem Reflex fing Victoria ihre Kleider auf.
    Von hinten war er ebenso elegant wie von vorn. Aber er wandte ihr jetzt nicht den Rücken zu. Kalte graue Augen taten ihre Nacktheit und ihren Wert als Frau ab, ob Jungfrau oder nicht. »Soll ich Sie töten?«, fragte er ungerührt.
    Es kam ihr vor, als habe sie ihr Leben lang mit der Drohung des Todes gelebt.
    Victoria zitterte – Beine, Hände, Bauch. Um keinen Preis würde sie ihm die Genugtuung geben, ihre Angst zu zeigen. Sie hob die Arme, zog sich trotzig das abgetragene Wollkleid über den Kopf, verfing sich mit den Armen in Seide, kam frei. Sie beugte sich vor und zog ihre Unterhose an. Stunden vergingen, bis sie die beiden winzigen Knöpfe am Bund ihrer Seidenhose geschlossen hatte. Tage vergingen, bis die Holzknöpfe am Mieder ihres Wollkleides geschlossen waren.
    Seine Augen warteten auf ihre.
    »Ich bin eine Jungfrau«, erklärte sie ruhig. »Und ich habe keinen …« Vor sechs Monaten hätte sie die Bezeichnung für Männer noch nicht gekannt, die von den Einnahmen für das Fleisch einer Frau lebten – »keinen Zuhälter«.
    Silbriges Eis glitzerte in seinen Augen. »Ich bin mir Ihrer Jungfräulichkeit durchaus bewusst, Mademoiselle.«
    Victoria sog die Luft ein; es brachte ihr Herz nicht zur Ruhe.
    Das Verlangen, das eben erst ihre Brust hart und ihren Schoß feucht gemacht hatte, pochte und pulsierte weiter wie ein Tier, das noch nichts von seinem Tod gemerkt hatte.
    Victoria atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Es gelang ihr nicht. »Ich fürchte, dann verstehe ich nicht, was Sie wissen möchten.«
    »Ich will wissen, warum Sie hier sind.«
    »Ich dachte doch, das wäre klar«, erwiderte sie mit pochendem Herzen.
    »Ein Mann hat sie hergeschickt, Mademoiselle. Ich will seinen Namen wissen.«
    »Mich hat kein Mann geschickt«, wiederholte sie. Zumindest nicht unmittelbar.
    Aber sie wäre nicht hier, wenn es nicht wegen eines Mannes wäre.
    »Dann hat eine Frau sie geschickt.«
    »Ich bin nicht von einer Frau geschickt.«
    Sein Ton wurde schärfer. »Wer hat Ihnen Geld gegeben, um meine Portiers zu bestechen?«
    Sie würde nicht in Panik geraten.
    »Ich habe die Portiers nicht bestochen.«
    »Mein Haus ist kein gewöhnliches Wirtshaus, Mademoiselle.« Sein Blick war unnachgiebig. »Wie sind Sie an meinen Portiers vorbeigekommen, wenn Sie sie nicht bestochen haben?«
    Mein Haus. Meine Portiers.
    Böse Vorahnungen mischten sich in Victorias Angst, Wut und Begierde. »Sind Sie der Besitzer dieses Etablissements?«
    Seine silbergrauen Augen verrieten keinerlei Regung. »Ich bin Gabriel.«
    Gabriel. Das Haus Gabriel.
    Mein Gott. Victoria hatte gesagt, sie sei in das Haus Gabriel gekommen

Weitere Kostenlose Bücher