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Abgrund der Lust

Abgrund der Lust

Titel: Abgrund der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Schone
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ich Sie begehre, nicht Ihre Jungfräulichkeit?«, wiederholte er, als sei ihm noch nie der Gedanke gekommen, dass eine Frau um ihrer selbst willen, nicht um ihrer Unschuld willen begehrt werden wollte.
    Die Zeit für Lügen war vorbei. »Ja, das will ich.«
    Victoria weigerte sich, den Blick von seinen Augen zu wenden, die abwechselnd Licht und Schatten, silbernes Feuer und grauen Stahl widerspiegelten.
    Das war die Frau, die sie war. Das war die Frau, die sie immer schon war …
    »Und wie hätten Sie gern, dass ich Ihnen meine Begierde zeige?«, fragte er, ihrem Blick standhaltend, ihn verschlingend.
    Victoria dachte an den Mann, der seine Begierde demonstriert hatte, indem er sie aus ihrer Stellung entließ.
    »Sie haben zweitausend Pfund für das Privileg bezahlt, mich zu berühren«, sagte sie. Ihr Herz schnürte ihr die Kehle zu.
    »Sie wollen, dass ich Sie berühre?«, fragte er mit jener leisen, verführerischen Stimme, die weder leise, noch verführerisch war, sondern schlicht gefährlich.
    »Ich will nicht genommen werden wie eine Straßendirne.«
    Die Wahrheit übertönte schroff das Prasseln des Feuers und das Rauschen des Blutes in Victorias Ohren.
    Einen beunruhigenden Augenblick lang sprach der Schmerz, den sie empfand, aus seinen Augen. Doch sofort war der Schmerz verschwunden. Aus seinen Augen, nicht aus ihren.
    »Dennoch sind Sie hergekommen und haben Ihre Jungfräulichkeit verkauft« – in seiner Stimme lag keinerlei Gefühl, kein Leben in seinen Augen – »wie eine Straßendirne.«
    Victoria schreckte vor der Wahrheit nicht zurück. »Ja.«
    »Wie möchten Sie denn genommen werden, Mademoiselle?«, fragte er abrupt.
    Mit Leidenschaft. Mit Zärtlichkeit.
    Aber sie wussten beide, dass sie dieses Recht verkauft hatte.
    Victorias Brüste schimmerten mit der Kraft ihres Herzschlages. Eine Haarnadel bohrte sich in ihre Handfläche.
    »Mit Respekt«, sagte sie angespannt. »Ich möchte mit Respekt genommen werden … weil ich eine Frau bin.«
    Nicht weil sie Jungfrau war. Sie wollte respektiert werden, weil sie eine Frau war.
    Die wachsende Spannung raubte Victoria den Atem.
    » Die ganze Welt ist Bühne und alle Frauen und Männer bloße Spieler«, zitierte er unvermittelt. Beobachtete sie. Mit Blicken, schärfer als die Stahlnadel, die in ihre Handfläche stach. »Mögen Sie Shakespeare, Mademoiselle?«
    Victoria zwinkerte verwundert mit den Augen über diesen plötzlichen Themenwechsel. Er verlangsamte das Rasen ihres Herzens nicht.
    »Ich mag dieses Stück von Shakespeare nicht besonders, nein«, brachte sie heraus.
    »Welches Stück ist es?«
    » Wie es Euch gefällt «, sagte Victoria. »Das Stück, aus dem Sie gerade zitiert haben.«
    Die Luft erbebte – irgendwo im Gebäude war vielleicht eine Tür geöffnet worden. Oder geschlossen.
    »Mögen Sie das Theater?«, fragte er mit jener quälend verführerischen Stimme, die kein Mann besitzen durfte.
    Sie tanzte auf ihrer Haut wie Elmsfeuer. Neckend. Quälend. Sie mit dem verhöhnend, was sie nicht haben konnte. Sie zwang sich, sich auf seine Frage zu konzentrieren, statt auf ihr Verlangen und ihre Nacktheit.
    Victoria hatte nur einmal ein Theaterstück gesehen.
    »Ja«, sagte sie. »Ich mag das Theater.«
    Wieder ein unterschwelliges Beben – eine Reaktion. Aber auf was?
    »Kommen Sie her, Mademoiselle.«
    Der leise Befehl nahm Victoria nicht die Beklemmung in der Brust.
    Jetzt würde er sie nehmen. Vollständig angezogen, während sie rutschende Strümpfe und ausgetretene Stiefeletten trug. An eine Wand gelehnt oder über den Schreibtisch gebeugt. Wie eine Hure.
    Victoria fiel auf, wie lächerlich sie aussehen musste: eine ehemalige Gouvernante ohne jede Eleganz, deren einziger lohnender Wert ihr Jungfernhäutchen war. Wie komisch musste er es gefunden haben, dass sie Respekt forderte, wo die niedrigsten Arbeiter über ihre Kleidung die Nase gerümpft hätten.
    »Meine Schuhe …«, wandte sie ein.
    »Lassen Sie sie an.«
    »Das ist un…« Victoria brach ab.
    »Unwürdig, Mademoiselle?«, bot er mit zynischem Grinsen an.
    Die Erfahrung anderer Nächte mit anderen Frauen war unauslöschlich in sein Gesicht graviert.
    Wie oft hatte er dieses Ritual vollzogen, fragte sie sich. Wie viele schüchterne Jungfrauen hatte er beruhigt?
    »Ich wollte sagen … unpraktisch«, antwortete Victoria und rang um Fassung.
    Sie kannte diese Frau nicht, die unerschrocken nackt vor einem Fremden stand und ihren Schmerz und ihr Verlangen hinausschrie –

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