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Abgrund der Lust

Abgrund der Lust

Titel: Abgrund der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Schone
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Schritte …
    »Und der zweite Mann, ist er auch einsam?«, entgegnete Michael beißend. Seine Augen waren erbarmungslos in ihrer Wahrheitssuche. »Hat er deshalb zwei Gebote auf deine Frau abgegeben?«
    Deine Frau hallte es von der weiß gestrichenen Decke wider.
    Schwarzes Männerhaar verwandelte sich in dunkles Frauenhaar. Er hatte Victorias Stimme im Ohr: Ich habe Angst, mich von einem Mann berühren zu lassen … Ich habe Angst, dass es mir gefällt, mich von einem Mann berühren zu lassen … Ich habe Angst, dass ich tatsächlich eine Hure bin.
    Schlagartig verwandelte sich Victorias dunkles Haar wieder in Michaels schwarzes Haar, die Nacktheit einer Frau in die Entschlossenheit eines narbigen Engels.
    Gabriel spürte die Wärme, die Michaels Körper ausstrahlte. Er zwang sich, nicht vor ihm zurückzuweichen. Wie er sich gezwungen hatte, nicht zurückzuweichen, als Victoria vorher Schritt für Schritt auf ihn zugekommen war, mit vorgeschobenem Becken, schwingenden Hüften, hüpfenden Brüsten.
    Fast hätte sie ihn berührt. Und einen atemberaubenden Augenblick lang hätte er es fast geschehen lassen.
    Victoria wusste nicht, welche Folgen es nach sich zog, ihn zu berühren; Gabriel wusste es. Michael wusste es.
    »Vielleicht«, sagte Gabriel leichthin. Jeder Muskel seines Körpers pochte vor Wachsamkeit.
    Wenn Michael nicht stehen blieb …
    Acht Schritte …
    Gabriel erstarrte, die linke Hand am Heft des Messers, den rechten Mittelfinger am Abzug.
    Michael hielt inne. Nach Schokolade riechender Atem streichelte Gabriels Wange.
    Zwei Engel standen Auge in Auge, ein dunkelhaariger, ein blonder. Einer ausgebildet, Frauen zu Gefallen zu sein, der andere, Männern zu Gefallen zu sein.
    »Warum hast du ihn nicht getötet, Gabriel?« Silberne Augen spiegelten sich in violettblauen, violettblaue in silbernen, zweiMänner, gefangen in einer Vergangenheit, die keiner von beiden sich ausgesucht hatte. »Ich weiß, dass er da war. Du warst bereit, die Frau zu erschießen. Warum nicht den zweiten Mann?«
    Michael hatte also den blau plattierten Revolver gesehen. Wusste er, wie nah er dem Tod gekommen war? Wusste er, wie nah er jetzt dem Tod war?
    »Hast du ihn gesehen, Michael?«, fragte Gabriel gleichmütig.
    »Nein, ich habe ihn nicht gesehen, aber du standest über uns, Gabriel. Es ist unmöglich, dass du ihn nicht gesehen hast.«
    Gabriel konzentrierte sich auf den feuchten Schokoladenduft, statt auf die Augen, die an seiner Seele saugten, und auf seine Finger, die sich eigenständig spannten, um sich zu schützen. »Vielleicht sehe ich nicht so klar, wie ich gern glauben möchte.«
    Eine weitere Wahrheit. Gabriel hatte nicht mit einer Komplizin gerechnet, die unter dem Vorwand, ihren Körper zu versteigern, in sein Haus eindringen würde.
    Er hatte nicht damit gerechnet, eine Frau zu finden, die ihn nicht verurteilte.
    Um alles wiedergutzumachen , was er erlitten hatte.
    »Lebt die Frau?«, fragte Michael mit scharfem Blick.
    »Als ich sie vor ein paar Minuten allein ließ, ja«, sagte Gabriel. Aber wie lange noch?
    »Ist sie eine Hure?«
    Gabriel bezähmte seine aufwallende Wut. »Nein.«
    Victoria war keine Hure, Huren boten nicht alles an, ihr Leben, ihren Schmerz, ihre Lust.
    »Ist sie Jungfrau?«
    »Ja.« Der Schokoladengeschmack legte sich auf Gabriels Zunge. »Sie ist Jungfrau.«
    »Und woher weißt du das, Gabriel?«, peitschte es durch die Luft. »Hast du sie berührt?«
    Schmerz …
    Gabriel wollte keinen Schmerz spüren.
    Ich will nicht begehren …
    »Du weißt, dass ich es nicht getan habe, Michael«, sagte Gabriel betont ruhig, alle Sinne auf die Frau im Nachbarzimmer undden Mann vor ihm ausgerichtet. »Du weißt genau, wie lange es her ist, seit ich zuletzt jemanden berührt habe.«
    Jeden Augenblick konnte Victoria die Tür öffnen …
    Würde auch sie Michael vorziehen, fragte er sich flüchtig. Die Eifersucht, die dieser Gedanke weckte, überraschte ihn.
    Der zweite Mann hatte sie zu Gabriel geschickt, nicht zu Michael. Er wollte nicht, dass sie einen dunkelhaarigen Engel bevorzugte.
    Gabriel wollte das, was Michael hatte: eine Frau, die seine Vergangenheit und die Bedürfnisse einer männlichen Hure akzeptieren würde. Ein Muskel zuckte in seinem Kinn, Hitze breitete sich aus, der Druck wuchs. Wenn Michael nicht zurücktrat …
    Michael ging nicht zurück.
    »Sie weiß, dass du für zweitausendsechshundertvierundsechzig Francs verkauft wurdest«, beharrte er. Der Gegenwert von

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