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Abgrund der Lust

Abgrund der Lust

Titel: Abgrund der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Schone
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ohrenbetäubend über Victorias hämmernden Herzschlag. Grelles Licht blendete sie.
    Gabriel glitt zurück in den Schatten. Sein silberblondes Haar schimmerte. »Wenn Sie fertig sind, können Sie wieder zu mir kommen, Mademoiselle.« Resolut trat Victoria vor.
    Die Tür ging zu, schloss sie ein. Sie sah eine Kupferbadewanne mit Satinholzverkleidung und Wasserhahn. Eine kupferbeschlagene Haube schloss sie von drei Seiten ein.
    Victoria hatte im Kristallpalast kombinierte Badewannen und Duschbäder gesehen – aus Mahagoni oder Walnussholz statt aus dem kostbareren Satinholz –, aber noch nie hatte sie in einem Haus gearbeitet, das mit diesem Luxus ausgestattet war. Die Haubewar etwa 2 Meter 30 hoch und recht imposant. Gegenüber der Tür hing ein Wasserbehälter aus Satinholz über einer elfenbeinfarbenen Toilette. Auf dem schmalen Schränkchen, das die Verbindung von Wasserrohr und Toilette verbarg, stand eine Schachtel Papiertücher. Die Etikette verlangte, dass solche Papiertücher ständig den Blicken verborgen blieben, um niemanden an ihren Zweck zu erinnern. Offensichtlich hielt der Mann namens Gabriel nichts von solchen Förmlichkeiten. Es war schwer, sich daran zu erinnern, wann ein solcher Anblick sie zuletzt beleidigt hätte.
    Auf der anderen Seite des Badezimmers musterte sie eine Frau mit bleichem Gesicht, umrahmt von dunklem, glanzlosem Haar. Victorias Freude über den Anblick des kombinierten Duschbads verebbte. Die Frau, die sie sah, war ihr eigenes Spiegelbild über einem goldgeäderten, weißen Marmorwaschbecken.
    Eine Erkenntnis folgte der nächsten: Im Bad gab es kein Fenster. Victoria saß in der Falle.

    Gabriel betätigte den Lichtschalter mit der kalten Messingplatte und dem glatten Holzknopf. Über ihm flammte das Licht auf. Ein glatter Satinholzschrank beherrschte die Innenwand des Schlafzimmers; an der Außenwand stand ein Messingbett mit einer hellen Seidendecke. Die französische Madame hatte Überladenes statt Schlichtes geliebt, Opulenz statt Eleganz. Parfüm statt Sauberkeit.
    Ihr würde sein Haus nicht gefallen. Gefiel es Victoria?
    Er nahm ein Streichholz aus der Obsidianschale auf dem Kaminsims, ging in die Hocke und zündete die Schicht Holzspäne unter den aufgeschichteten Holzscheiten an. Blaugelbe Flammen züngelten hoch. Er hielt das brennende Streichholz lange in der Hand und dachte an die Jahre, die er ohne Essen gelebt hatte. Ohne Dach über dem Kopf. Ohne Sicherheit.
    Werden Sie mich anbetteln, Mademoiselle ?
    Nein. Nein, ich werde Sie nicht anbetteln .
    Sie hatte nicht gebettelt. Victoria hatte nicht um Essen gebettelt. Nicht um Geld. Sie hatte nicht um ihr Leben gebettelt. Siehatte ihn nicht angebettelt, ihr Verlangen nach einem unberührbaren Engel zu stillen, das sie offenkundig verspürte. Stattdessen hatte sie, eine Jungfrau, gedroht, ihn zu verführen, einen Mann, der zwölf Jahre lang der Verführer war.
    Victoria hätte ihn mit ihrem Mund genommen. Sie hätte ihn auf jede Weise genommen, in der Gabriel je einen Mann oder eine Frau genommen hatte. Sie wollte ihn immer noch, obwohl sie wusste, was er war.
    Sein Geschlecht pochte bei der Erinnerung an den frischen Duft ihrer Begierde. Es hemmte die Gedanken nicht, die ihm durch den Kopf rasten.
    Vor sechs Monaten hatte man Victoria aus ihrer Stellung entlassen.
    Vor sechs Monaten hatte Gabriel den ersten Mann getötet.
    … Nun bringe ich dir eine Frau .
    Eine Frau, die lange genug auf der Straße gelebt hatte, um die Regeln des Überlebens zu verstehen, die aber durch dieses Wissen noch nicht zerstört war. Eine Frau, die seine Vergangenheit nicht verurteilte.
    Wir tun, was wir tun müssen, um zu überleben .
    Hitze leckte seine Haut. Gabriel schaute auf das Streichholz zwischen Daumen und Mittelfinger. Die blaue Flamme huschte über geschwärztes Holz.
    Victorias Augen besaßen das gleiche lebhafte, unschuldige Blau wie das Feuer.
    Hoffte der zweite Mann, ihn durch eine sinnliche Tändelei abzulenken?
    Victoria hatte Angst vor dem, was er in ihren Briefen finden würde. Sie hatte ihm einen falschen Namen genannt. Hatte sie auch gelogen, was den zweiten Mann anging?
    Sofort fiel Gabriel die entsetzte Kränkung in ihren Augen ein, als er ihr gesagt hatte, was Quecksilbersublimat bei einer Frau bewirkte. Eine Hure hatte sie töten wollen, dennoch hatte Victoria sie beschützt.
    Wie weit würde sie gehen, um einen Liebhaber zu beschützen, fragte er sich. Wo hatte der zweite Mann sie gefunden? Wie hatte er sie

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