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Abgrund der Lust

Abgrund der Lust

Titel: Abgrund der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Schone
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einhundertfünf englischen Pfund.
    »Sie weiß es«, bestätigte Gabriel und spannte die Muskeln noch stärker an. Bereitete sich vor, zu handeln oder zu reagieren. Zu töten oder zu fliehen.
    »Der zweite Mann hat sie dir geschickt.«
    Gabriel stritt das Offensichtliche nicht ab. »Ja.«
    »Warum will er dich töten, Gabriel?«, fragte Michael provozierend.
    Gabriel wusste, was Michael tat: Dieselbe Technik hatte er bei Victoria angewandt. Angriff. Verführung.
    Er hielt völlig still, atmete den Duft von Michaels Atem ein, gefangen in Michaels Körperwärme. Gefangen von der Wahrheit.
    »Er will mich töten, weil er weiß, dass ich ihn töte, wenn er es nicht tut«, sagte Gabriel kühl. Die Wahrheit, aber nicht die ganze Wahrheit.
    »Hat die Frau dich berührt, Gabriel?«
    Gabriel erstarrte. Er wusste, wohin Michaels Frage führte, konnte ihn aber nicht aufhalten. »Nein.«
    »Vor sechs Monaten hast du mich berührt.«
    Gemeinsame Erinnerungen flackerten zwischen ihnen auf. Narbiges Fleisch. Kalte Lippen. Rotes Blut.
    »Was würdest du tun, wenn ich dich berühren würde, Gabriel?«, fragte Michael leise.
    Zerbrechen.
    Gabriel würde zerbrechen, wenn Michael ihn berühren sollte.
    Und einer von ihnen würde sterben. Vielleicht würden sie beide sterben.
    Michael hatte nicht getötet; das hieß nicht, dass er nicht dazu imstande wäre.
    »Spiel dieses Spiel nicht mit mir, mon frère «, sagte Gabriel gepresst.
    »Aber es ist ein Spiel, mon ami «, sagte Michael zärtlich. »Seit fast fünfzehn Jahren suchst du den zweiten Mann. In dieser ganzen Zeit hast du ihn nicht finden können. Warum sollte er dich jetzt aus Angst um sein Leben aufspüren?«
    »Vielleicht ist er es leid, wegzulaufen.«
    Wie Gabriel es leid war, wegzulaufen.
    Die Zeit tickte buchstäblich dahin, in seiner Wange, in seinen Händen. Zählte die Sekunden, bis die Frau durch die Tür käme und einen dunkelhaarigen Engel einem blonden vorzöge.
    Bis Michael Gabriel berührte.
    Bis Gabriel Michael tötete.
    Und er zerbräche.
    »Das glaube ich nicht«, sagte Michael sanft.
    »Was glaubst du nicht, Michael?«, fragte Gabriel. Er erstickte am Schokoladengeruch.
    »Ich glaube nicht, dass er es leid ist, wegzulaufen. Und ich glaube nicht, dass er je vor dir weggelaufen ist, Gabriel.«
    »Dann sag mir, warum er deiner Ansicht nach heute Abend gekommen ist«, raunte Gabriel lockend, sich auf das Spiel einlassend.
    Es war immer ein Spiel gewesen: der erste Mann, der zweite Mann.
    »Mein Onkel hat alle zerstört, an denen mir lag«, sagte Michael leise. Alle bis auf Anne.
    »Ich habe deinen Onkel getötet, Michael.«
    Den ersten Mann. Und Gabriel würde es wieder tun.
    Zorn flackerte in den violettblauen Augen auf: Michael hatte Gabriel noch nicht verziehen, dass er seinen Onkel getötet hatte, damit er selbst keinen Mord auf sich lud. Er fasste sich jedoch schnell: »Du sagtest, mein Onkel habe den Namen des zweiten Mannes gekannt, der dich vergewaltigt hat.«
    »Dein Onkel kannte manches«, wich Gabriel aus.
    »Mein Onkel kannte seinen Namen, Gabriel«, wiederholte Michael nachdrücklich mit unerbittlichem Blick, »weil er den zweiten Mann angeheuert hat, der dich vergewaltigt hat.«
    Gabriel kämpfte gegen die nie endenden Erinnerungen an Schmerz, der in Lust umschlug, und an Lust, die den Überlebenswillen zerstörte.
    Michael konnte die Wahrheit nicht kennen.
    »Woher weißt du das, Michael?«
    »Ich weiß es, weil du mich hasst, seitdem du vergewaltigt wurdest, Gabriel.«
    Michaels Schokoladenatem blieb Gabriel in der Kehle stecken.
    »Genugtuung«, flüsterte Michael als Widerhall auf Gabriels Stimme vor sechs Monaten.
    Für was?, hatte Michael gefragt.
    Lust. Schmerz.
    »Du wolltest mich töten, als du mir die Waffe an die Schläfe gehalten hast.« In Michaels Augen lag weder Lust noch Schmerz. »Du willst mich auch jetzt töten. Aber nicht wegen der Frau, die mich dir vorgezogen hat.«
    Gabriel sah zwei Männer, einen dunkelhaarigen, einen blonden.
    »Nicht, Michael?«, fragte er gleichgültig. Spielte seine Rolle. Unfähig zu kämpfen. Unfähig zu fliehen.
    »Du warst nie eifersüchtig auf mich, mon frère «, sagte Michael bestimmt.
    Die Wahrheit ließ sich nicht aufhalten.
    »Ich war immer eifersüchtig auf dich, Michael.«
    Schon als Dreizehnjähriger hatte Gabriel Michael beneidet – er hatte ihn um sein Verlangen nach Liebe beneidet. Als Mann hatte Gabriel Michael seinen Mut zu lieben verübelt. Die violettblauenAugen flatterten nicht, als er

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