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Abgrund der Lust

Abgrund der Lust

Titel: Abgrund der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Schone
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Sie zu essen hatten«, sagte Victoria bestimmt.
    »Damit ich reich werden konnte«, entgegnete Gabriel leise. »Was glauben Sie, wie ich dieses Haus bauen konnte?«
    Victorias Vater hatte sie gelehrt, dass Sünde hässlich sei. Sie hatte Hässlichkeit gesehen. Gabriel oder sein Haus hatten nichts Hässliches.
    Victoria spürte, dass sie jetzt in weit größerer Gefahr war als in dem Augenblick, als er sie beim Durchsuchen seiner Schubladen überrascht hatte. Einem Eindringling würde Gabriel verzeihen; einer Frau, die in seiner Vergangenheit herumstöberte, verzieh er nicht. Niemand würde um Victoria Childers, eine alte Jungfer, trauern. Wer würde um Gabriel trauern?
    »Sie haben meine Frage nicht beantwortet, Sir.« Victorias Stimme klang, als käme sie von weit her. »Wenn Sie meine Frage nicht beantworten, können Sie nicht erwarten, dass ich Ihre beantworte.« Einen Augenblick glaubte sie, dass Gabriel nicht antworten würde, doch dann …
    »Nein, Mademoiselle, ich habe nie eine Frau um Erlösung angebettelt.«
    »Hat je eine Frau Sie um Erlösung angebettelt?«, hakte sie nach. Mit Herzklopfen. Körperliche Liebe war eine verführerische Verlockung.
    »Ja.«
    »Haben Sie es genossen?«
    »Ja.«
    »Haben Sie … vor Lust … geschrien?«, fragte Victoria. Sie konnte nicht aufhören zu fragen. Wollte mehr wissen … Über körperliche Liebe. Über einen Mann namens Gabriel und eine Frau namens Victoria. Sie wollte wissen, warum sie zu ihm geschickt worden war, nicht eine andere Frau.
    Lange Sekunden vergingen, ein Herzschlag, drei Herzschläge, sechs … neun … Victoria lauschte gespannt – auf die Männer und Frauen im Haus, auf eine Kutsche, die vorüberfuhr. Endlich …
    »Nein, Mademoiselle, ich habe nicht vor Lust geschrien.«
    Aber er hatte Lust bereitet. Lust als Ausgleich für das, was er nicht bekam.
    Die einzigen Geräusche im Zimmer waren das Knacken des Feuers, Victorias Herzschlag und die Wahrheit, die in den Schatten lauerte.
    »Diese Frauen, die Sie um Erlösung angebettelt haben, haben sie das getan, bevor oder nachdem Sie selbst … um Erlösung … gebettelt haben?«
    »Vorher.«
    Victoria war gebannt von der Nacktheit in Gabriels Augen, die nun matt grau statt silbern waren. Allmählich ging ihr die Wahrheit auf. Es war zu spät, die Fragen aufzuhalten, aber sie wünschte, sie könnte es. Sie hatte nach der Wahrheit gefragt; sie starrte ihr ins Gesicht.
    »Es ist vierzehn Jahre, acht Monate, zwei Wochen und sechs Tage her, seit ich um Erlösung gebettelt habe, Mademoiselle.« Der Mann hinter der vollkommenen Marmormaske loderte zu heißem Leben auf – ein Mann, der sich sehnte, zu berühren, berührt zu werden, zu umarmen, umarmt zu werden; sofort wurde er hinter einer Alabasterwand der Schönheit verschlossen. »Seitdem habe ich keine Frau mehr angerührt.«

Kapitel 7
    »Warum?«
    Gabriels Stimme hallte dumpf durch den leeren Saal. Tropfende Kerzen kämpften gegen die Dunkelheit.
    Die Zeit der Abrechnung war gekommen.
    Steif standen die beiden Portiers in Hab-Acht-Stellung. Licht und Schatten spielten auf ihren Gesichtern; goldblondes Haar spielte ins Strohblond, braunes Haar in Feuer und Bronze.
    Keiner der Männer schaute Gabriel an. Keiner der Männer zeigte Angst oder Reue.
    Lange dachte Gabriel, sie würden nicht antworten. Und dann …
    » C'est  – es war wegen ihrer Augen, Monsieur.«
    Gabriels Kopf schnellte zu Stephen herum; Rot flammte in seinem braunen Haar auf und erstarb.
    Ich habe ihnen gesagt, dass ich einen Beschützer brauche , hatte Victoria Childers erklärt.
    »Ihr habt meine Befehle missachtet wegen eines Paars beaux yeux ?«, fragte er scharf.
    »Non, Monsieur.«
    Bernsteinfarbene Augen hielten Gabriels silbernen unerschrocken stand. »Ich habe Ihre Befehle missachtet, weil ich mich gut erinnere, wie es ist, Hunger zu haben und nichts verkaufen zu können außer sich selbst.«
    »Vor sechs Monaten war dein Gedächtnis nicht so gut, Stephen.«
    Stephen war seit fünf Jahren in Gabriels Diensten. Nicht ein einziges Mal hatte er eine Straßendirne oder Nutte über die Schwelle gelassen.
    Bis heute Abend.
    Aber Victoria war weder eine Straßendirne noch eine Nutte: Sie war eine Schachfigur.
    Vom zweiten Mann geschickt.
    Plötzlich richteten sich tiefblaue Augen auf Gabriel. »Wenn wir sie weggeschickt hätten, hätte sie die Nacht nicht überlebt, Sir.«
    John war ein simpler Junge aus Lancashire, der nach London gekommen war, um sein Glück zu machen.

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