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Abgrund der Lust

Abgrund der Lust

Titel: Abgrund der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Schone
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Einer von Tausenden, die alljährlich in Scharen in die Stadt strömten.
    Seine Schönheit war das Einzige, was ihn von den anderen Arbeit suchenden Jungen unterschied.
    John war zum Bauern erzogen, zu einfacher, ehrlicher Arbeit. Hurerei hatte gegen seine Prinzipien verstoßen.
    Aber er hatte es getan. Fünf Jahren hatte John als Hure gearbeitet. Es hatte ihn beinahe umgebracht.
    Gabriel hatte John von der Straße geholt, ihm Essen, Kleider und Arbeit gegeben und ihn ausgebildet. Er war seit zehn Jahren beiGabriel. Vor sechs Monaten hatte Gabriel ihm den Auftrag gegeben, Michael und seine Frau zu beschützen.
    Er spürte, wie die Morgendämmerung ihn niederdrückte.
    »Du kennst den Preis für Untreue, John.«
    In Johns Augen lag keine Reue. Kein Protest.
    John wie auch Stephen hatten gewusst, was ihr Verhalten sie kosten würde. Dennoch hatten sie so gehandelt.
    Warum?
    Ein flüchtiges Lächeln glimmte in Johns blauen Augen auf und erstarb mit einer tropfenden Kerze. »Sie war großartig, nicht wahr, Sir?«
    Rückblickend …
    »Ja«, sagte Gabriel. »Sie war großartig.«
    Die Lebemänner und Politiker hatte es entsetzt, dass eine Hure ebenso viel Wert für sich in Anspruch nahm wie ihre Frauen, Töchter und Schwestern.
    »Stephen und ich holen unsere Sachen und gehen, bevor das Gesinde aufsteht«, sagte John sachlich.
    Gabriel konnte es sich nicht leisten, die beiden Männer zu behalten, nicht jetzt, nachdem der zweite Mann wieder da war.
    Das verstand John besser als jeder andere seiner Bediensteten.
    Mehr denn je brauchte Gabriel Männer, auf die er sich verlassen konnte.
    Indem sie die Frau ins Haus gelassen hatten – eine Frau, die ebenso gut auch eine Mörderin hätte sein können –, hatten sie ihre Unzuverlässigkeit unter Beweis gestellt.
    Er konnte ihnen nie wieder vertrauen.
    Dieses Wissen machte Gabriel seine Aufgabe nicht leichter.
    »Gaston wird euch zwei Monatslöhne als Abfindung geben«, sagte er ausdruckslos.
    Stephens Bernsteinblick schweifte von Gabriels silbernem fort. »Danke, Sir.« Er drehte sich um und ging, das kastanienbraune Haar leblos im Schatten.
    »John.«
    John hielt mitten im Schritt inne. Sein Haar schimmerte golden. »Sir?«
    Gabriels Augen verengten sich, beobachteten sein Gesicht und seinen Körper auf Anzeichen von Anspannung.
    Anzeichen von Verrat.
    »Hat jemand – irgend jemand – die Frau begleitet?«
    »Nein, Sir.« John schaute an Gabriels Schulter vorbei. »Sie kam allein.«
    Es konnte eine Lüge sein. Es konnte aber auch die Wahrheit sein. Gabriel würde es nie erfahren.
    John drehte sich lautlos um. Blieb stehen. Instinktiv griff Gabriel in seinen Frack, spürte das warme Streicheln des Satinfutters, den harten, glatten Griff des Revolvers. John war ebenso bewaffnet wie Gabriel. Wie alle Kellner und Portiers Gabriels. Die Waffen des Portiers blieben an seinen Seiten.
    »Der Nebel war dicker als Erbsensuppe, Sir«, sagte John ruhig. »Die Wahrheit ist, ich weiß nicht, ob die Frau allein kam oder nicht. Es könnte jemand bei ihr gewesen sein und abseits des Lampenlichts gewartet haben. Mit Sicherheit kann ich nur sagen, dass ich niemanden bei ihr gesehen habe.«
    Johns Brust straffte sich.
    John sagte die Wahrheit. Aber Stephen?
    »Warum hast du es getan, John?«
    »Sie hat mich an Mr. Michael erinnert.«
    Hungrige Augen.
    »Und Sie hat mich an Sie erinnert.«
    Huren. Luden. Bettler. Mörder. Diebe.
    Alle, die im Haus Gabriel arbeiteten, hatten die Straße überlebt.
    »Ich habe mich gefragt, wo wir wohl jetzt wären, wenn uns jemand die Gelegenheit gegeben hätte, beim ersten Mal genug Geld zu verdienen, um der Gosse zu entkommen«, erklärte John.
    John war der Gosse entkommen, lange bevor Gabriel ihn gefunden hatte.
    »Nimm deine Abfindung und kaufe dir ein Stück Land, John«, sagte Gabriel leise.
    »Es ist zu spät.«
    Gabriel dachte an Michael. Er dachte an Anne.
    Er dachte an ihre bevorstehende Hochzeit.
    Gabriels Völkchen , nannte Michael seine Bediensteten, allesamt Einwanderer und Heimatlose.
    Ein Bild des grauhaarigen Mannes blitzte vor Gabriels innerem Auge auf. Gefolgt von Bildern aus dem Hundred Guineas Club.
    John war der Gosse entkommen, um in dem Homosexuellen-Club zu arbeiten. Nein, er konnte nie wieder zu einem einfachen Jungen vom Land werden.
    »Vertraust du Stephen, John?«, fragte er aus einem Impuls heraus.
    Er hasste die Pläne, die in seinem Kopf Gestalt annahmen. Wusste, dass es keine Alternative gab.
    Gabriel würde nicht zulassen,

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