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Abgrund der Lust

Abgrund der Lust

Titel: Abgrund der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Schone
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Wollmütze vom Kopf und schob sie in seine Manteltasche. Dann drehte er den Silberknauf seines Gehstocks und zog den Degen heraus. Messerscharfer Stahl funkelte im Licht des Kaminfeuers. Gabriel kniete sich in Kopfhöhe von Thorntons Frau neben das Bett und legte die Degenscheide auf den Boden, um die rechte Hand frei zu haben.
    »Mary«, flüsterte er verführerisch. »Mary, wach auf.«
    Erdbeerrote Glanzlichter schimmerten in ihrem blonden Haar. Sie reagierte nicht. Es brauchte mehr als nur ein Flüstern, um sie zu wecken.
    Gabriel hob die rechte Hand an seinen Mund; seine Zähne gruben sich in den Lederhandschuh. Er zog seine Hand heraus und steckte den Handschuh in die Tasche. Er stand auf, nahm die Kristallkaraffe vom Nachttisch und goss Wasser in das leere Glas. Dann setzte er sich aufs Bett, sicherte mit den Schenkeln die Bettdecke, die ihre Schultern unten hielt, tauchte die Finger in das Glas und träufelte ihr langsam Wasser aufs Gesicht.
    »Mary«, schmeichelte er. »Wachen Sie auf, Mary.«
    Sie wandte das Gesicht ab, um dem tropfenden Wasser zu entkommen. »Hmmm ….«
    Noch einmal tauchte Gabriel die Finger in das Glas.
    »Mary, wachen Sie auf.« Ein silberner Wassertropfen fiel aufihre Wange; instinktiv wandte sie sich ihm wieder zu. Behutsam hielt er die Klinge an ihre Kehle und ließ weiter Wasser auf ihr Gesicht tropfen. »Wachen Sie auf, Mary …«
    Zierliche Lider flatterten. Mary starrte ihn verständnislos an. Gabriel wusste, was sie sah: Einen Engel mit einem Heiligenschein aus silbernem Haar. Sie sah einen Mörder.
    Er drückte den Rand der Klinge herunter, damit sie den kalten Stahl fühlen konnte. Ihre Augen waren weit geöffnet. Erkenntnis funkelte darin. Ihr Körper war unter der Bettdecke gefangen; sie konnte sich nicht rühren. Sie öffnete den Mund zu einem Schrei. Gabriel schnappte das Kissen neben ihr. Er konnte ihre Schreie ersticken. Oder er konnte sie ersticken. Und sie konnte nichts dagegen tun.
    Mary wusste es. Gabriel wusste es.
    »Ich weiß, was Sie getan haben, Mary«, flüsterte er leise. »Halten Sie es für klug zu schreien?«
    Lange starrte sie ihn mit offenem Mund an. Ihre Kinnlade klappte hörbar zu. »Wer sind Sie?«, fuhr sie ihn an.
    In ihren Augen lag kein Erkennen. Kein Wissen um den unberührbaren Engel.
    »Ich bin ein Mann, der Ihnen die Kehle aufschlitzen und Sie sterben lassen kann.« Er ließ die Wahrheit seiner Worte in ihr Bewusstsein dringen. »Oder ich kann Sie leben lassen.«
    Wut. Angst. Gabriel wartete, welches Gefühl sich bei Mary Thornton als stärker erweisen würde.
    »Wie sind Sie hereingekommen?«, flüsterte sie wütend.
    »Ihr Mann hat mich hereingelassen.« Es bestand keine Notwendigkeit zu lügen. »So war es einfacher.«
    Mary Thornton schien nicht überrascht über den Verrat ihres Mannes. »Was wollen Sie?«
    »Ich will Ihr Blut«, raunte Gabriel provozierend. Er ritzte ihren weißen Hals; flüssige schwarze Schatten perlten im Licht des Kaminfeuers. »Aber ich begnüge mich mit Informationen. Für wen kuppeln Sie, Mary?«
    Mary rührte sich nicht. Allein schon ihre Reglosigkeit schrie ihre Schuld hinaus.
    »Wenn Sie mir wehtun, geht mein Mann zur Polizei.«
    »Dann bringe ich ihn auch um«, sagte Gabriel spielerisch. In ihm wuchsen Angst und Wut.
    Mary Thornton lebte. Aber sie dürfte nicht mehr leben.
    »Ich kuppele für niemanden«, behauptete Mary.
    Im Gegensatz zu Peter Thornton würde sie nicht betteln. Im Gegensatz zu Victoria Childers nötigte ihr vorgespielter Mut Gabriel keine Bewunderung ab. Mary Thornton war eine Edelhure, die die Schwächen weniger glücklicher Frauen ausspionierte. Sie hatte Victoria Childers ausspioniert.
    »Sagen Sie mir, wer die Briefe geschrieben hat, Mary.«
    »Ich weiß es nicht.« Mary Thornton krümmte sich krampfhaft, um sich aus der einengenden Bettdecke zu befreien; es gelang ihr nicht. »Lassen Sie mich sofort heraus!«
    »Ich weiß, dass Sie lügen, Mary.« Gabriels Augen waren kalt, tödlich: Seine Stimme war täuschend verführerisch. »Sagen Sie mir, wer die Briefe geschrieben hat, dann lasse ich Sie heraus. War es ein Liebhaber?«
    Mary erstarrte. »Ich habe keinen Liebhaber.«
    »Mein Beileid«, sagte Gabriel mitfühlend.
    Mary ließ sich weder von seinem verführerischen Ton noch von seinem Mitleid täuschen. »Warum sind Sie hier?«
    »Sie waren unvorsichtig, Madame. Sie hätten nicht so viele Gouvernanten über die Stellenvermittlung West einstellen sollen.«
    Der nachhaltige Schreck, mit

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