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Abgrund der Lust

Abgrund der Lust

Titel: Abgrund der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Schone
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genauso fließend Französisch zu lesen .
    Michael hatte Gabriel lesen gelehrt.
    Les deux anges . Die beiden Engel.
    Ich habe einen Mann geliebt, Mademoiselle . Hätte ich ihn nicht geliebt, wären Sie jetzt nicht hier .
    War Michael ein Akteur in diesem ungeschriebenen Stück?
    Zu lieben ist die Sünde , hatte Gabriel gesagt.
    Er war durch die Liebe gekränkt worden, die er seinem Freund entgegengebracht hatte. Aber Lieben war keine Sünde.
    Als ich zum Mann wurde, wollte ich die Leidenschaft einer Frau erleben. Ich wollte die Lust erleben, die ich bereitete. Nur ein einziges Mal.
    Sie hatte Gabriels Körperwärme eingeatmet. Hatte seinen Atem geschmeckt.
    Victoria wusste nicht, wie seine Haut sich anfühlte.
    Sie wollte nicht sterben, ohne zu wissen, ob Gabriels Berührung es wert war, dafür zu sterben.
    Angst war ein starkes Aphrodisiakum: Die Leere, die sie schuf, wollte gefüllt werden.
    Durch Wissen.
    Durch Handeln.
    Durch Gabriel.
    Laissez le jeu commencer .
    Victoria schlug die Bettdecke zurück und glitt aus dem Bett. Eine Metalldose glänzte auf dem Nachttisch. Sie war mit Kondomen gefüllt. Flache Gummihäute, die über das steife Geschlecht eines Mannes gestreift wurden.
    Die Verführung eines Engels …
    Gabriels seidener Morgenmantel klebte an ihren Brüsten und ihren Pobacken. Er war bodenlang. Bei Gabriel reichte er sicher nur bis zu den Waden. Waren sie wie seine Brust mit dunklem Haar bedeckt, fragte sie sich, oder mit silberblondem Haar wie sein Kopf?
    Kopf … Hüte.
    Schnell ging Victoria in das … Arbeitszimmer, wie er es genannt hatte. Bibliothek würde jeder andere sagen.
    Lächerliche Enttäuschung durchzuckte sie. Sie hatte doch von der pulsierenden Leere in ihrem Inneren gewusst, dass er nicht in seiner Suite war.
    Victoria überflog die goldgeprägten Buchrücken – und sah keinen einzigen Titel oder Autor. Sie sah Blut. Sie sah Mary Thornton. Sie sah Gabriel.
    Victoria fragte sich, was er wohl gerade machte – wartete er in der Nacht, brach er in das Stadthaus der Thorntons ein oder war er auf dem Heimweg. Victoria fragte sich, ob er erfahren würde, dass die Thorntons mit dem Mann, den er suchte, im Bunde standen, oder ob er erfahren würde, dass sie auf eigene Faust Frauenleben zerstörten.
    Gabriel hatte gesagt, er fürchte keine Kugel. Er hatte auch gesagt, er wisse nicht, womit er rechnen müsse.
    Victoria fragte sich, ob Gabriel noch lebte.
    Victoria fragte sich, wie lange sie noch leben mochte.
    Gabriel hatte sein früheres Haus Gabriel niedergebrannt. Warum? So viele Warums …
    Energisch durchstreifte sie Gabriels Arbeitszimmer, entfernte sich von dem Ledersofa. Der einsame Bootsmann, der über glitzernd blaues Wasser in den strahlenden Sonnenuntergang ruderte, beobachtete sie aus der Sicherheit seines Gemäldes. Ein Wandschrank erwies sich als Tür ähnlich jener, die ins Schlafzimmer führte. Victoria öffnete sie.
    Der kastanienbraune Plüschteppich in Gabriels Arbeitszimmer wich einem flachen, dunklen Wollteppich. Gedämpftes elektrisches Licht erhellte einen Flur. Freiheit.
    Victoria betrat den schmalen Korridor. Schleifend schlug dieTür hinter ihr zu. Stöhnend wirbelte sie herum, Bilder der Handschuhschachtel vor Augen. Die Tür hinter ihr war nicht verschlossen.
    Victorias Herzschlag beruhigte sich nicht. Im Korridor lauerte Gefahr. In Gabriels Suite lauerte Gefahr.
    Victoria stellte sich dem Korridor und der Gefahr.
    Der Gang war kurz, nur etwa vierzig Fuß lang. Am Ende spiegelte sich Licht. Es war heller als das gedämpfte Licht im Korridor. Sie erkannte, dass ein weiterer Flur den kurzen, schmalen Gang kreuzte. Ein Flur mit erhellten Fenstern. Ihr Herz überholte ihre Füße, als sie vorsichtig auf den erhellten Flur zuging.
    Sie erreichte das Ende des Ganges. Ein langer Flur verlief diagonal zu dem kurzen Gang. In regelmäßigen Abständen fiel Licht auf die Außenwand. Das Licht kam nicht von Fenstern. Fenster lagen in Außenwänden; die erhellten Öffnungen lagen in einer Innenwand.
    Es gab keinen Grund für die Woge der Angst, die über Victoria zusammenbrach, oder für die unterschwellige Sehnsucht, die sie vorantrieb.
    Ihren Herzschlag pochend im Ohr trat sie an das erste Fenster. Grelles Licht erhellte ein plüschrotes Schlafzimmer. Es war nicht leer.
    Sie trat an das zweite Fenster; das Schlafzimmer auf der anderen Seite war satt grün statt rot. Es war ebenfalls nicht leer.
    Das dritte Schlafzimmer war in Gold gehalten; das vierte in

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