Abgrund der Lust
er in die Frau eindrang.
Ihr Atem blieb ihr im Hals stecken. »Mit der ganzen Hand?«
»Er fängt mit ein oder zwei Fingern an.«
Victoria erinnerte sich an Gabriels Finger. Sie waren lang. Weiß.
Der junge Mann beugte sich vor und küsste die Frau zwischen den Schenkeln. Seine Hand nahm er nicht fort.
Victoria brauchte nicht zu sehen, was er tat, um es zu spüren.
Sie zitterte … vor Verlangen. Vorher hatte sie vor Angst gezittert.
»Wie fühlt eine Frau sich an, wenn ein Mann seine Finger in ihr hat?« Selbst Victorias Stimme bebte.
»Wie heiße, nasse Seide.«
Die Wut in Gabriels Stimme überraschte sie. Seine Augen im Spiegel schauten Victorias Spiegelbild nicht an; sie starrten durch das Fenster. Schauten in seine Vergangenheit und sahen die Frauen, mit denen er zusammen gewesen war. Die Frauen, die ihn um Lust und dann um Erlösung angebettelt hatten.
Aber er hatte sie nicht angebettelt.
Gabriel hatte nur ein einziges Mal in seinem Leben um Erlösung gebettelt. Eine Vergewaltigung der Sinne.
Victoria sah die Lust, die Gabriel Frauen geschenkt hatte, in seinem verzerrten Mund. In den silbernen Augen sah sie Gabriels Schmerz.
Die Frau auf der anderen Seite des Spiegels warf ihren Kopf hin und her, Seide rutschte, Haar verwirrte sich. Ihre Brüste bebten wie bei einem Wettlauf. Einem Wettlauf zur Vollendung.
Gabriel lief mit ihr.
Der Mund der Frau öffnete sich – ob zu einem Atemzug oder zu einem Schrei, wusste Victoria nicht.
Gabriel war verloren – ob in Erinnerungen an Lust oder in Erinnerungen an Schmerz, wusste sie nicht.
»Was spüren Sie?«, fragte sie Gabriel. Voller Lust. Voller Schmerz. »Wie viele Finger haben sie in ihr? Einen oder zwei?«
»Fünf«, stieß Gabriel hervor.
Victoria konnte nicht atmen. Fünf Finger stießen tief in sie hinein.
»Ich möchte ihre Lust spüren«, sagte er heiser. »Ich möchte Teil ihrer Lust sein – nur ein einziges Mal nicht davon losgelöst sein. Ich möchte Teil einer Frau sein, der ich Lust schenke.«
Und nicht losgelöst von ihr.
Es sollte eigentlich nicht möglich sein, vor Schmerz zu zerbrechen und gleichzeitig vor Verlangen zu schwellen, aber es war so.
»Diese Frau. Hat sie …«, Victoria brachte mühsam ihre Stimme unter Gewalt, »hat sie Vergnügen daran, Ihre fünf Finger in sich zu haben?«
Ein Tropfen perlte auf Gabriels Stirn; er funkelte wie ein Diamant im dämmrigen Licht. »Der Schoß einer Frau ist dazu gemacht, sich zu weiten.«
Aber doch sicher nicht, um eine ganze Hand aufzunehmen ?
Aber warum lechzte Victoria sonst danach, sie aufzunehmen?
»Wie sind Sie … mit fünf Fingern in sie eingedrungen?«
»Mit einem Finger nach dem anderen.« Der Schweißtropfen verschwand in Gabriels Augenbraue. »Ich habe ihren Körper drei Stunden lang vorbereitet.«
Victoria stellte sich vor, einen Finger in sich aufzunehmen, zwei, drei, vier, fünf. Einen Finger nach dem anderen. Stunde um Stunde. Keuchender Atem hechelt die Minuten dahin … der Körper öffnet sich … eine geschmeidige Hand gleitet … dringt durch den Ring ihrer Pforte.
Lust baut sich auf.
Ekstase. Qual.
»Sagen Sie mir«, sagte Victoria und atmete im Takt mit dem Heben und Senken der Brüste der anderen Frau. »Sagen Sie mir, was Sie fühlen.«
Silberlichter funkelten in Gabriels gespiegeltem Blick.
»Ich spüre den Kitzler einer Frau an meiner Zunge.«
Victorias Kitzler schwoll an, bis es wehtat.
»Er ist so hart, dass er sich anfühlt, als wolle er vor Verlangen nach dem Höhepunkt bersten.« Gabriels Stimme schabte über Victorias Haut. »Meine Finger sind zusammengelegt, der Daumen dazwischen. Der Schoß der Frau ist so heiß, dass er glüht. Ich spüre, wie ihr Fleisch sich weitet, meine Fingerspitzen aufnimmt … meine Finger … bis zum ersten Gelenk … bis zum zweiten Gelenk … bis zur Handfläche. Die Wände ihrer Höhle zwingen meine Finger, sich zur Faust zu ballen. Ich sehe, rieche, höre und fühle nur sie. Den Geruch des Verlangens einer Frau. Das Saugen weiblichen Fleisches. Den Anblick eines weiblichen Bauches, der sich spannt.
Victoria spürte, wie Gabriels Fingerspitzen in sie glitten … bis zum ersten Gelenk … bis zum zweiten Gelenk … bis zur Handfläche. Ihr Bauch spannte sich, erfüllt von einem Engel …
Der Körper der Frau auf der anderen Seite des Spiegels bäumte sich auf, bis ihr Gewicht nur noch auf ihrem Kopf und ihren Fersen ruhte. Ihr Mund war weit offen wie zu einem Schrei.
»Ich spüre, wie ihr
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