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Abgrund der Lust

Abgrund der Lust

Titel: Abgrund der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Schone
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Höhepunkt, der durch sie wogte, war ihr gemeinsamer.
    Victoria wusste, dass Gabriel ihre Lust gespürt hatte. Sie wusste es, weil er sie verließ. Körper. Seele.
    Ihre Fäuste krallten sich in die zerwühlte Bettdecke.
    Sie hatte seinen Körper nicht berührt; aber sie hatte einen Engel berührt.
    Victoria wusste nicht, ob Gabriel ihr verzeihen würde.
    Sie kniff die Augen zu und starrte in die Dunkelheit, lauschte auf das leise Klicken seiner Stiefel auf dem Boden, als er das Schlafzimmer durchquerte, ins Bad ging …
    Ihr Körper zählte die verrinnenden Minuten. Sie fühlte sich hohl, als habe er einen Tunnel in sie gegraben.
    Das leise Rauschen der Wasserleitung vibrierte in der Luft: Gabriel hatte die Toilettenspülung betätigt. Ein leises Klicken drang durch die Stille, das Öffnen einer Tür.
    Sie spürte seinen Blick; er war greifbar wie das Pulsieren tief in ihrem Schoß.
    »Mary Thornton war kooperativ«, sagte er ausdruckslos. Spannung pochte in seiner Stimme. »Der Mann, der die Briefe geschrieben hat, heißt Mitchell Delaney.«
    Sie würde nicht weinen .
    Die Dunkelheit hinter ihren Lidern wand sich. »Ich kenne keinen Mitchell Delaney.«
    »Er kennt Sie, Mademoiselle.«
    »Mein Name ist Victoria«, sagte sie. Ihr gefiel die Art, wie Gabriel es aussprach, das V wie eine sanfte Liebkosung.
    Ja, der Mann, der die Briefe geschrieben hatte, wusste, dass sie seidene Unterhosen trug statt wollener. Er wusste, dass Frauen die gleichen fleischlichen Begierden hatten wie Männer. Aber er kannte die Frau nicht, die Victoria Childers war. Gabriel kannte sie. Er hatte das Innerste ihrer Seele berührt.
    Gabriel drehte sich um und ging.

Kapitel 17
    Gabriel schlängelte sich durch die Straßen, bog um Ecken, schlüpfte durch eine Gasse, wartete auf der anderen Seite; sein Atem wölkte sich im Nebel, sein Herzschlag maß die Stille, der silberne Degen war gezückt.
    Niemand folgte ihm. Er wünschte, jemand würde ihm folgen. Gabriel wollte töten.
    Gabriel wollte dem Duft und dem Gefühl Victorias entkommen.
    Gabriel wollte die Lust verleugnen, die sie ihm geschenkt hatte.
    Ich sehe dich, Gabriel. Wenn ich komme, sehe ich dich.
    Einen Augenblick lang – als sein Geschlecht in ihrem Schoß pochte – hatte er fast geglaubt, er habe eine Seele.
    Zwanghaft konzentrierte Gabriel sich auf die Nacht.
    Niemand war ihm zum Thornton-Haus gefolgt, weder bei Tag noch bei Nacht. Aber jemand hatte beobachtet, wie Madame René sein Haus betreten hatte.
    Jemand hatte die Kleiderschachteln abgefangen, die sie Victoria geschickt hatte.
    Ein dumpfes Klippklapp störte Gabriels Überlegungen, der Hufschlag eines einzelnen Pferdes. Mit rascherem Herzschlag schlüpfte er zurück in die Einmündung der Gasse.
    Näher kommende Lichter nahmen Gestalt als Kutschlampen an. Eine Mietdroschke ratterte vorbei. Der Kutscher war vielleicht auf dem Weg in den Stall. Oder er verfolgte Gabriel. Er verschwand im Nebel. Gabriel schlich durch drei weitere Straßen. Mehrere Mietdroschken kreuzten durch den Morgennebel. Die Dritte hielt er an, indem er vor das Zugpferd trat und den Lederzaum packte. Das Pferd scheute; der Kutscher fluchte.
    »Hände weg von meinem Pferd, du …«
    »Ich gebe Ihnen zwei Goldsovereigns, wenn Sie mich mitnehmen«, sagte Gabriel leise.
    Eine Fahrt mit der Mietdroschke kostete im Schnitt Sixpence pro Meile; ein Sovereign entsprach zweihundertvierzig Pence.Gabriel brauchte das Gesicht des Kutschers gar nicht deutlich zu sehen, um zu wissen, wie er rechnete: Er müsste achtzig Meilen fahren, um zwei Sovereigns zu verdienen. Gabriel verstand die Straße: Er verstand die Männer und Frauen, die dort arbeiteten. Aber Victoria verstand er nicht.
    »Wo wollen Sie denn hin?«, fragte der Kutscher vorsichtig. »Ich muss zurück in den Stall.«
    »Nicht weit«, sagte Gabriel freundlich. Es schmerzte ihn vor Sinnenlust, er sehnte sich nach mehr Sinnenlust. »Ich will in den Hundred Guineas Club. Ich möchte, dass Sie langsam um den Block fahren, bis ich ans Dach klopfe. Wenn ich ans Dach klopfe, möchte ich, dass Sie anhalten. Dort wird jemand zusteigen und Ihnen sagen, wohin Sie uns bringen sollen.«
    Der Kutscher brauchte nicht nach dem Weg zum Hundred Guineas Club zu fragen. Wie das Haus Gabriel war auch dieses weithin bekannt.
    Das Pferd tänzelte nervös und hätte Gabriel fast auf den Fuß getreten.
    Rasch beruhigte Gabriel das verschwitzte Pferd, indem er ihm fest mit der behandschuhten Hand über den Nacken strich.

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