Abgrund der Lust
mir einen Bauernhof. Ich habe heute Nacht festgestellt, dass Sie mir in den letzten zehn Jahren meine Menschlichkeit wiedergegeben haben. Dafür danke ich Ihnen.«
Aber dass er von ihm verlangt hatte, sich in dem Club, in dem er früher gearbeitet hatte, als Hure auszugeben, würde John Gabriel nie verzeihen. Gabriel hatte John seine Menschlichkeit wiedergegeben, nur um sie ihm erneut wegzunehmen.
Die Droschke neigte sich; die Tür schloss sich.
Gabriel war allein, wie er es vorzog. Es gab keinen Grund für die Finsternis, die sich ihm schwer auf die Brust legte.
Es gab keinen Grund, den Verlust eines Bediensteten zu betrauern. Gabriel verschaffte Männern und Frauen, die keine andere Wahl hatten als zu stehlen oder zu huren, eine Arbeit, die ihren Bedürfnissen besser entsprach. Er würde einen anderen Mann aus seinen Reihen befördern und einen Ersatz einstellen.
Er sollte froh sein, dass John fortging; Gabriel war es aber nicht.
Der zweite Mann zerstörte systematisch Gabriels neues Leben, wie er sein altes zerstört hatte.
Aber er hatte ihm eine Frau gegeben. Und Gabriel wusste nicht warum .
Kapitel 18
Victoria beobachtete blind, wie Gabriel den Schrank öffnete, und sah vor ihrem inneren Auge, was sie hörte. Stille platzte in ihre Ohren. Eine Schublade öffnete sich, schloss sich. Eine zweite Schublade öffnete sich, schloss sich. Eine dritte Schublade öffnete sich. Sie sah den Inhalt jeder Schublade vor sich.
Sie hatte seine Unterwäsche gesehen, seine wollenen Unterhosen berührt – feine Wolle, weich wie Seide; sie hatte gesehen, wie ein Revolver und ein Messer im Stapel seiner gestärkten weißen Leinenhemden versanken. Die dritte Schublade schloss sich.
Victoria sah Gabriel im Wispern einer sich schließenden Tür hinausgehen. Sie fragte sich, wie spät es sein mochte. Sie fragte sich, wann Gabriel ihr verzeihen würde. Und wusste sofort, dass er ihr nicht verzeihen würde, bevor er sich selbst verziehen hatte.
Victoria hatte sich gefragt, wie sie sich fühlen würde, nachdem sie ihre Jungfräulichkeit verloren hätte; nun wusste sie es. Sie fühlte sich leer.
Sie schlug die Augen auf und starrte in das schwarze Loch, das die Zimmerdecke war: Vor ihrem inneren Auge sah sie wieder das Strahlen weißer Farbe und den Schweiß, der Gabriel über das Gesicht gelaufen war wie Tränen.
Victoria hatte Gabriels Berührung erlebt. Ohne sie würde sie sich nie wieder vollständig fühlen.
Sie schwang die Beine aus dem Bett und setzte sich auf. Sie zuckte zusammen. Es fühlte sich an, als habe ein Ofenrohr sie durchbohrt. Es fühlte sich an, als habe es ihr das Herz aus der Brust gerissen.
Das hatte sie nicht herausgefordert … die Briefe. Den Schmerz. Die Lust.
Victoria ging ins Badezimmer. Und erinnerte sich …
Mir ist kalt . Ich glaube, mir wird nie wieder warm .
Gabriel hatte sie gewärmt, zuerst mit einem Morgenmantel, dann mit seinen Fingern, seinen Lippen, seiner Zunge, seinem bitte .
Victoria stieg in die Kupferwanne. Und erinnerte sich …
Die Leberbrause … Sie ist nicht in der richtigen Höhe, um die Leber zu massieren .
Nein .
Ist ihr Strahl für Männer anregend ?
Nicht im gleichen Maße wie für Frauen .
Victoria duschte in glühend heißem Wasser. Und erinnerte sich …
Ich erinnere mich an das erste Mal, als ich eine Frau so gesehen habe .
Was hast du gedacht, als du sie gesehen hast ?
Ich dachte, wenn ein Mann eine Seele hat, liegt sie in einer Frau .
Victoria seifte sich ein. Und erinnerte sich … an jede Stelle, die Gabriel berührt hatte. Ihre Lippen. Ihre Zunge. Ihre Wange. Ihre Brüste. Ihren Kitzler …
Victorias Kitzler pochte bei der Erinnerung. Pochte Gabriel auch vor Erinnerung?
Ihre Scham war geschwollen; strahlte Hitze aus. Er hatte ihre Scheide als portail bezeichnet.
Ich mag die Art, wie du meinen Namen sagst .
Wie sage ich ihn ?
Als ob ich eine Seele hätte .
Rasch wusch Victoria sich die Seife ab und trocknete sich ab. In Gabriels Bürste steckten weder dunkle noch blonde Haare. Alle Beweise für ihre Vereinigung waren vernichtet.
Seine Zahnbürste war feucht. Sie wich dem Blick der dunkelhaarigen Frau im Spiegel aus und putzte sich die Zähne.
Victoria hatte immer noch keine Kleider.
Der seidene Morgenmantel lag im Schlafzimmer auf dem Boden, wo sie ihn hatte fallen lassen. Unerwartet schüchtern schlang Victoria sich das feuchte Badetuch um.
Sie hätte nicht überrascht sein sollen, jemanden in Gabriels Schlafzimmer anzutreffen,
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