Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abgrund der Lust

Abgrund der Lust

Titel: Abgrund der Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Schone
Vom Netzwerk:
weder Verwunderung noch Entsetzen. In dieser Nacht hatte er weitaus Schlimmeres als den Tod erlebt. »Ein Mann sagte, Geraldine hätte ihn versetzt.«
    Geraldine war die weibliche Form von Gerald.
    Gabriel war angespannt. Gerald Fitzjohn konnte unter dem Namen Geraldine aufgetreten sein. Er konnte aber auch einen anderen Namen benutzt haben.
    Die Mietdroschke bog um eine Ecke. Gabriel fasste nach dem Haltegriff über ihm. »Wie hieß der Mann?«
    »Er nannte sich Francine.«
    Francine … Frances.
    Viscount Riley hieß Frances. Er war ein Freund des Duke of Clarence, des englischen Thronfolgers.
    Der königliche Duke war unter dem Namen seiner Mutter ins Clubregister eingetragen: Victoria.
    »Er sagte, am Abend zuvor habe Lenora sowohl Geraldine als auch ihn versetzt«, berichtete John emotionslos weiter. »Seitdem habe er Lenora nicht mehr gesehen.«
    Lenora … Leonard. Gabriel fiel auf Anhieb kein Mitglied der vornehmen Gesellschaft oder des Parlaments ein, das Leonard hieß. Kannte der zweite Mann einen?
    Hatte der zweite Mann den Mann getötet, der sich Lenora nannte, wie er auch Gerald Fitzjohn getötet hatte?
    Die Fragen drängten sich mit dem pochenden Druck von Johns Hüfte und Schulter auf.
    Warum war niemand Gabriel gefolgt?
    Warum lebten die Thorntons noch?
    »Kennst du einen Mann namens Mitchell Delaney?«, fragte Gabriel. Das erdrückende Parfüm, Johns Nähe und die Lust, die weiter in seinen Lenden pochte, zerfraßen allmählich seine Selbstbeherrschung. Victorias Lust.
    Was hatte der zweite Mann vor? Mit Michael? Mit Gabriel?
    Mit Victoria?
    »Nein.« John rückte im Dunkeln ein Stück ab. Er schuf so viel Abstand zwischen ihnen, wie er konnte; ob er es tat, weil er die Berührung eines anderen Mannes nach dieser Nacht nicht ertrug, oder um Gabriel eine Atempause zu gönnen, wusste Gabriel nicht. »Gehört er zum Club?«
    »Ich weiß es nicht«, sage Gabriel. Die Räder der Kutsche hallten in seine Anspannung.
    Gabriel war kein Narr. Es gab Männer, die sich besser auf die Jagd verstanden als er. Die Männer, die Michael und Anne bewachten, konnten bestochen oder getötet werden. Ein Mannkonnte Gabriel gefolgt sein, ohne dass er es bemerkt hatte. Jeden Augenblick würde die Kutsche anhalten. Männer konnten vor Johns Tür warten. Männer konnten John töten und Gabriel ergreifen. Die Droschke hielt.
    John zog sich seine Perücke auf; Schenkel, Hüfte, Ellbogen und Schulter bedrängten unweigerlich Gabriels Schenkel, Hüfte, Arm und Schulter.
    »Die Frau, der die Wohnung gehört, weiß nicht, was ich bin«, erklärte er steif zur Entschuldigung. »Mir ist es lieber, sie denkt, dass eine Frau mich besucht.«
    »Du kennst die Vermieterin?«, fragte Gabriel und hoffte für John, dass ihre Bekanntschaft sinnlicher Natur war.
    »Sie ist Witwe. Ab und an finden wir Trost beieinander.«
    »Suche heute Nacht Trost bei ihr, John.«
    John antwortete nicht. Er beugte sich vor, öffnete die Droschkentür und stand auf. Mit gebeugtem Rücken sagte er abrupt: »Man sagt, Sie hätten seit fast fünfzehn Jahren keine Frau mehr gehabt.«
    »Das sagt man wohl«, bestätigte Gabriel.
    Ein flüchtiges Grinsen verzog seine Lippen. Was dachten seine Bediensteten wohl nun, da Victoria eine Dose Kondome verlangt hatte?
    »Bei wem werden Sie heute Nacht Trost suchen, Gabriel?«, fragte John.
    Gabriel konnte nicht verhindern, dass Victorias Bild vor seinem inneren Auge aufblitzte. Victoria, wie sie die männliche Hure und die Frau durch den transparenten Spiegel beobachtet hatte. Victoria, die Gabriel anbot, sie zu berühren.
    Victorias Brüste, vor Lust geschwollen, während ihr Bauch sich in Erwartung des Höhepunktes straffte und ihre gespreizten Beine nach mehr drängten: mehr Finger, mehr Gabriel.
    »Für manche Männer gibt es keinen Trost«, sagte er kurz angebunden.
    Dennoch hatte Gabriel Trost gefunden.
    Der Gedanke an den zweiten Mann jagte ihm kalte Schauer über den Rücken. Wenn er ihn jetzt berühren würde …
    »Was ich heute Nacht getan habe, habe ich freiwillig getan, Gabriel.« Johns Kopf zeichnete sich als Silhouette gegen flackerndes Gaslicht ab. »Machen Sie sich keine Vorwürfe.«
    Gabriel fragte sich, wie weit John hatte gehen müssen, um ihm zu helfen. Er bot ihm den einzigen Trost an, der ihm zur Verfügung stand. »Ich werde deinen Lohn erhöhen.«
    »Das ist nicht nötig.« Gabriel konnte Johns Miene nicht erkennen; das brauchte er auch nicht. »Wenn Sie den Mann haben, den Sie suchen, kaufe ich

Weitere Kostenlose Bücher