Abgrund der Lust
aufzuhalten, versuchten ihn wieder in sie hineinzuziehen.
Lust. Schmerz.
Gabriel wollte nicht, dass Victoria Finsternis sah, wenn sie ihren Höhepunkt erreichte. Voir les anges . La petite mort . Gabriel wollte, dass Victoria Engel sah, nicht Tod.
»Nicht aufhören!«, schrie sie.
Er drang weiter in sie ein. »Sag mir, ich soll aufhören, Victoria.«
»Ich spüre deine Eichel«. Victoria sog heißen Dunst ein, Wasser strömte in ihren Mund. »O, lieber Gott!«
Gabriel spürte Victoria genauso intensiv, wie sie ihn. Innen und außen schlüpfriges Fleisch. Wachsender Druck, steigend, einen Ausweg suchend.
Sie musste ihn aufhalten.
Er trieb hinein.
Victorias Bauch prallte gegen die Kupferwand. »O Gott!«, brach es aus ihrer Kehle.
Hitze.
Gabriel erinnerte sich nicht, dass eine Frau so heiß war. Er spürte die schlüpfrige Nässe ihrer Haut und die schlüpfrige Hitze ihres Körpers, die sich in seinen Hoden ballte.
»Sag mir, ich soll aufhören, Victoria«, wiederholte er rau; glitt, fiel zurück in die Vergangenheit.
»Hast du ihm gesagt, er soll aufhören?«, keuchte sie und nahm den französischen Jungen in sich auf, der ein Engel hatte sein wollen, und die Hure, die um Erlösung gebettelt hatte.
»Ja!«, zischte Gabriel zwischen zusammengebissenen Zähnen. Er konnte nicht aufhören. Er glitt aus Victoria heraus. Zu seiner Lust, nicht zu ihrer. »Ich habe ihm gesagt, er soll aufhören.«
Victoria biss sich auf die Unterlippe – sie hatte schöne Lippen, die Unterlippe war kaum voller als die Oberlippe. Wasser rann an ihrer Schläfe herunter. »Aber er hat nicht aufgehört.«
Er hatte nicht aufgehört. Er hatte nicht aufgehört, bis der zweite Mann ihm gesagt hatte, er solle aufhören.
Dann hatte der Alptraum begonnen.
»Sag mir, ich soll aufhören«, sagte Gabriel.
Bettelnd. Aber Engel bettelten nicht.
Victorias Pobacken ballten sich zusammen. »Nein.«
Für einen Moment raubte es Gabriel vor Schmerz und Lust den Atem.
»Dann bettele mich an, nicht aufzuhören«, sagte er grob.
»Mach mich betteln, Gabriel«, forderte sie etwas in ihm heraus.
Aber er wollte nicht, dass sie ein Teil von ihm war.
»Dich betteln machen … wie, Victoria?«, fragte Gabriel mit gefährlich leiser Stimme. Sein Körper bebte vor Verlangen. »Willst du, dass ich dich betteln mache, aufzuhören?«
Schmerz.
»Ja.«
»Oder willst du, dass ich dich betteln mache, nicht aufzuhören?«
Lust.
»Ja«, wiederholte sie keuchend, zitternd.
Bereit, seinen Schmerz und seine Lust auf sich zu nehmen.
Aber Gabriel wollte Victoria seinen Schmerz nicht geben.
Er wollte glauben, und sei es auch nur für einen Moment, dass er eine Seele gefunden hatte und dass diese Seele Victoria Childers hieß. Eine Frau, die sein Gesicht sah, wenn sie vor Lust schier barst, das Gesicht eines Mannes, der seinen Namensvetter im Stich gelassen hatte.
Gabriel packte Victorias Hüfte. Seine Finger umklammerten ihre Hüftknochen. Seine Muskeln ballten sich.
Er wollte Victoria vögeln, bis sie schrie, er solle aufhören. Und dann wollte er sie vögeln, bis sie bettelte, er solle nicht aufhören.
Er wollte, dass Victoria die Wahrheit auslöschte und den namenlosen Jungen zurückbrachte, der geglaubt hatte, er könne ein Engel sein.
»Sie ketteten mich an«, sagte er in den wallenden Dampf und das prasselnde Wasser. »Ich konnte mich nicht rühren. Ich konnte mich nicht wehren.«
Er hatte es lediglich über sich ergehen lassen können, bis er es nicht mehr aushielt.
Langsam zog Gabriel sein Geschlecht zurück, bis nur noch sein Herzschlag in Victoria pochte.
Die Wahrheit ließ sich nicht leugnen.
»Er benutzte kein Gleitmittel«, sagte er rau.
Die beiden Männer hatten ihn nur genommen, um ihm wehzutun. Weil er einen schwarzhaarigen Jungen mit violettblauen Augen geliebt hatte.
Einen Jungen, der ihn lesen und schreiben gelehrt hatte.
Einen Jungen, dem Gabriel lieber in die Prostitution gefolgt war, als sich von ihm zu trennen.
Gabriel schob die Hüften vor: Victoria nahm ihn auf. Wie er genommen worden war.
Erbarmungslos prasselte die Dusche auf seinen Kopf. Auf Victorias Kopf.
»Es gibt ein Wort.« Wasser rann über Gabriels Gesicht. »Algolagnie. Eine Lust, die nicht von Schmerz zu unterscheiden ist. Willst du wissen, wie Schmerz zur Lust werden kann, Victoria?«, raunte er.
Innerlich sterbend. Äußerlich sterbend.
Mit pochendem Geschlecht. Die Vergangenheit überwältigte die Gegenwart.
»Ja.« Victoria verschlang Luft.
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