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Abgrund: Roman (German Edition)

Abgrund: Roman (German Edition)

Titel: Abgrund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
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können es bis zur Station hören – ein bösartiges, beinahe elektrisches Zischen, das aus der Richtung des Schlunds herüberdringt. Clarke schwimmt hinter Ballard her darauf zu, während ihre Hand über die Führungsleine gleitet. Mit dem fernen Lichtfleck, der ihr Ziel markiert, stimmt irgendetwas nicht. Die Farbe sieht anders aus als sonst. Sie flimmert.
    Als sie sich dem leuchtenden Heiligenschein weiter nähern, sehen sie auch, warum. Der Schlund brennt.
    Saphirblaue Polarlichter gleiten flackernd über die Generatoren. Am anderen Ende der Anlage, aus dieser Entfernung kaum sichtbar, steigt eine wirbelnde Rauchsäule in die Dunkelheit auf wie ein riesiger Tornado.
    Das Geräusch, das sie dabei verursacht, hallt in die Tiefe hinaus. Clarke wendet einen Moment lang den Blick ab und glaubt, Klapperschlangen zu hören.
    »Verdammt!«, schreit Ballard über den Lärm. »Das kann nicht wahr sein!«
    Clarke schaut auf den Thermistor. Die Anzeige schwankt ständig; die Wassertemperatur schnellt innerhalb von Sekunden von vier Grad auf achtunddreißig hoch und sinkt dann wieder. Unzählige flüchtige Strömungen zerren an ihnen, während sie dem Schauspiel zusehen.
    »Woher stammt das Leuchten?«, ruft Clarke zurück.
    »Ich weiß es nicht«, erwidert Ballard. »Wahrscheinlich Biolumineszenz. Wärmeempfindliche Bakterien.«
    Plötzlich hört der Tumult auf.
    Im Ozean herrscht wieder Stille. Ein paar phosphoreszierende Spinnweben schlängeln sich noch schwach über die metallenen Oberflächen der Generatoren und verschwinden schließlich ganz. Der Tornado in der Ferne zerfällt mit einem Seufzen in einige wenige kurzlebige Wirbel.
    Im kupferfarbenen Licht regnen schwarze Rußpartikel herab.
    »Ein Raucher«, sagt Ballard in die plötzliche Stille hinein. »Und zwar ein großer.«
    Sie schwimmen zu der Stelle hinüber, wo der Geysir ausgebrochen ist. Zwischen zwei der Generatoren befindet sich eine frische Wunde im Meeresboden, ein mehrere Meter langer Riss.
    »Das sollte eigentlich nicht passieren«, sagt Ballard. »Deshalb haben sie schließlich gerade hier gebaut! Die Zone soll angeblich stabil sein!«
    »Die Riftzone ist niemals stabil«, erwidert Clarke. Sonst wären wir nicht hier.
    Ballard schwimmt durch den Rußpartikel-Niederschlag nach oben und öffnet an einem der Generatoren eine Klappe. »Nun, wie es aussieht, hat es keine Schäden gegeben«, ruft sie nach unten, nachdem sie einen Blick hineingeworfen hat. »Warten Sie, lassen Sie mich auf einen anderen Kanal schalten …«
    Clarke tastet nach einem der zylinderförmigen Sensoren, die an ihrer Hüfte befestigt sind, und betrachtet den Riss im Meeresboden. Ich sollte da eigentlich hineinpassen, stellt sie fest.
    Und es klappt tatsächlich.
    »Wir haben Glück gehabt«, sagt Ballard über ihr. »Die anderen Generatoren sind ebenfalls unversehrt. Oh, Sekunde mal: Bei Nummer zwei ist ein Kühlrohr verstopft, aber nichts Ernsthaftes. Die Reserveleitungen können das so lange übernehmen, bis … He, kommen Sie da raus! «
    Clarke blickt auf, eine Hand an dem Sensor, den sie gerade installiert. Ballard schaut durch einen Schornstein aus frisch gebildetem Gestein zu ihr herunter.
    »Sind Sie verrückt?«, brüllt Ballard. »Das ist ein aktiver Raucher!«
    Clarke schaut wieder nach unten, tiefer in den Schacht hinein. Seine Windungen verschwinden in einem Dunst aus Mineralwolken. »Wir brauchen Temperaturmesswerte«, sagt sie, »aus dem Innern des Schlots.«
    »Kommen Sie da raus! Er kann jeden Moment wieder ausbrechen und Sie kochen!«
    Ja, das kann er wohl, denkt Clarke. »Er ist gerade erst ausgebrochen«, ruft sie zurück. »Es wird eine Weile dauern, bis sich wieder Überdruck gebildet hat.« Sie dreht an einem Knopf des Sensors; winzige Sprengbolzen bohren sich in das Gestein und verankern das Gerät.
    »Kommen Sie sofort da raus!«
    »Eine Sekunde noch.« Clarke schaltet den Sensor ein und schwimmt schließlich durch den Schlot nach oben. Als sie wieder aufgetaucht ist, packt Ballard sie am Arm und zerrt sie von dem Raucher weg.
    Clarke erstarrt und reißt sich von Ballard los. »Bitte …«, fassen Sie mich nicht an! Sie fängt sich wieder. »Ich bin draußen, okay? Sie müssen nicht …«
    »Weiter weg.« Ballard schwimmt voran. »Hierher.«
    Sie sind nun beinahe am äußersten Rand der Lichtinsel angekommen. Auf der einen Seite befindet sich der hell erleuchtete Schlund und auf der anderen vollkommene Schwärze. Ballard dreht sich zu Clarke um. »Haben Sie

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