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Abgrund: Roman (German Edition)

Abgrund: Roman (German Edition)

Titel: Abgrund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
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gekommen ist, aber es müssen Lichtjahre sein.
    Der Ozean ist voller Sterne.
    Die Station hinter ihr strahlt am hellsten von allen, ein schmutzig gelbes Leuchten. Ihr gegenüber kann sie undeutlich den Schlund erkennen, ein schwacher Sonnenaufgang am Horizont.
    Überall sonst ist die Dunkelheit von lebenden Sternbildern gesprenkelt. Hier schickt eine Perlenkette im Abstand von zwei Sekunden Werbebotschaften in die Dunkelheit hinaus, um Geschlechtspartner anzulocken. Dort hinterlässt ein Aufblitzen eine Vielzahl von Nachbildern in Lenies Augen, die sie ablenken sollen, während irgendetwas ihre vorübergehende Blindheit nutzt, um sich aus dem Staub zu machen. Anderswo wiederum windet sich ein falscher Wurm, der mit dem unsichtbaren Maul eines Räubers verbunden ist, träge in der Strömung.
    Es gibt so viele von ihnen.
    Sie spürt eine plötzliche Druckwelle im Wasser, als sei gerade etwas Großes dicht an ihr vorbeigeschwommen. Ein herrliches Schaudern durchrieselt ihren Körper.
    Es hat mich beinahe berührt, denkt sie. Was es wohl gewesen ist? Die Riftzone ist voller Ungeheuer, die nie genug bekommen können. Ganz gleich, wie viel sie fressen. Ihre Unersättlichkeit ist ebenso ein Teil von ihnen wie ihre elastischen Mägen und ihre unendlich dehnbaren Mäuler. Gefräßige Zwerge greifen Giganten an, die doppelt so groß sind wie sie, und manchmal gewinnen sie sogar den Kampf. Die Tiefe ist eine Wüste; man kann es sich nicht leisten, auf eine bessere Gelegenheit zu warten.
    Doch jede Wüste hat ihre Oasen, und manchmal stoßen die Jäger der Tiefe auf eine solche. Sie entdecken den – wenngleich wenig nahrhaften – Reichtum der Riftzone und schlagen sich den Wanst voll, und ihre Nachkommen besitzen dann riesige, aufgedunsene Leiber mit äußerst zerbrechlichen Knochen …
    Meine Lampe war ausgeschaltet, und es hat mich nicht angegriffen. Ich frage mich …
    Sie schaltet die Lampe wieder ein. In der plötzlichen Helligkeit verschwimmt ihre Umgebung, wird jedoch sogleich wieder klar. Der Ozean um sie herum ist in undurchdringliche Finsternis getaucht. Keine albtraumhaften Gestalten stürzen sich auf sie. Der Strahl ihrer Lampe beleuchtet nur leeres Wasser, wohin sie auch blickt.
    Sie schaltet die Lampe wieder aus. Einen Moment lang herrscht vollkommene Dunkelheit, während sich ihre Augenkappen an die verringerten Lichtverhältnisse anpassen. Dann gehen wieder die Sterne auf.
    Sie sind wunderschön. Lenie Clarke ruht am Grunde des Ozeans und betrachtet das Funkeln der Tiefe. Beinahe muss sie lachen, als ihr dreitausend Meter vom nächsten Sonnenstrahl entfernt bewusst wird, dass es nur dann wirklich dunkel ist, wenn die Lichter angeschaltet sind.

    »Was, zum Teufel, ist los mit Ihnen? Wissen Sie, dass Sie mehr als drei Stunden draußen waren? Warum haben Sie nicht geantwortet?«
    Clarke beugt sich vor und zieht ihre Schwimmflossen aus. »Ich glaube, ich habe meinen Empfänger ausgeschaltet«, sagt sie. »Ich war … Moment mal, haben Sie gesagt …«
    »Sie glauben ? Haben Sie etwa jede Sicherheitsvorschrift vergessen, die man uns eingetrichtert hat? Sie sollen Ihr Empfangsgerät die ganze Zeit über eingeschaltet lassen, von dem Moment an, wenn Sie Beebe verlassen, bis zu Ihrer Rückkehr!«
    »Haben Sie gesagt drei Stunden ?«
    »Ich konnte nicht einmal zu Ihnen rauskommen, weil ich Sie auf der Echolotanzeige nicht finden konnte! Ich konnte nur hier rumsitzen und hoffen, dass Sie wieder zurückkommen!«
    Clarke hat das Gefühl, als seien nur wenige Minuten vergangen, seit sie in die Dunkelheit hinausgeschwommen ist. Sie steigt zum Aufenthaltsraum hinauf; ihr ist plötzlich eiskalt.
    »Wo sind Sie gewesen, Lenie?«, will Ballard wissen und folgt ihr. Clarke hört einen leicht traurigen Ton in ihrer Stimme.
    »Ich … ich muss auf dem Meeresboden gewesen sein«, sagt Clarke. »Deshalb war ich auf dem Echolot nicht zu sehen. Ich habe mich nicht weit von der Station entfernt.«
    Bin ich eingeschlafen? Was habe ich drei Stunden lang getan?
    »Ich habe mich nur ein wenig … umgesehen und dabei die Zeit aus den Augen verloren. Es tut mir leid.«
    »Das reicht mir nicht. Machen Sie das nicht noch einmal.«
    Kurze Zeit herrscht Stille, die schließlich von dem vertrauten Geräusch eines Körpers unterbrochen wird, der gegen Metall schlägt.
    »Verdammt noch mal!«, faucht Ballard. »Ich schalte jetzt die Außenscheinwerfer aus!«
    Was immer es ist, es landet noch zwei weitere Treffer, ehe Ballard die

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