Abgrund: Roman (German Edition)

sichtbar, in dunstiges Blauschwarz getaucht.
    »Funktionieren die Lichtverstärker?«, wollte Scanlon wissen.
    »Hm-mh.«
    »Was sehen Sie?«
    »Alles. Das Innere des Tanks. Die Luke. Das Licht wirkt irgendwie blaustichig.«
    »Richtig. Es handelt sich um eine Luciferin-Lichtquelle.«
    »Es ist nicht besonders hell«, sagte Fischer. »Eher wie Dämmerlicht.«
    »Tja, ohne Ihre Augenkappen wäre es zappenduster.«
    Und plötzlich war es das tatsächlich.
    »Hee.«
    »Keine Sorge, Gerry. Alles ist in Ordnung. Wir haben nur das Licht ausgeschaltet.«
    In vollkommener Dunkelheit lag er da und nahm aus den Augenwinkeln zuckende Mouches volantes wahr.
    »Wie fühlen Sie sich, Gerry? Haben Sie das Gefühl, Sie würden fallen? Klaustrophobie?«
    Er fühlte sich beinahe friedlich.
    »Gerry?«
    »Nein. Nichts. Ich fühle mich … gut …«
    »Der Druck ist bei zweitausend Metern.«
    »Ich spüre nichts.«
    Vielleicht würde es doch gar nicht so schlimm werden. Ein Jahr. Nur ein Jahr …
    »Dr. Scanlon«, sagte er nach einer Weile. Er begann sich sogar an das metallene Dröhnen seiner neuen Stimme zu gewöhnen.
    »Ich bin hier.«
    »Warum ich?«
    »Was meinen Sie damit, Gerry?«
    »Ich war nicht, Sie wissen schon, qualifiziert für diesen Job. Selbst nach der ganzen Ausbildung gibt es doch sicher jede Menge Leute, die das besser könnten als ich. Echte Ingenieure.«
    »Es geht weniger darum, was Sie wissen«, sagte Scanlon, »sondern, was Sie sind.«
    Fischer wusste, was er war. So lange er zurückdenken konnte, hatte man ihm das immer wieder gesagt. Er begriff nicht, was das für eine Rolle spielte. »Und was bin ich also?«
    Er dachte schon, er würde gar keine Antwort erhalten. Schließlich antwortete Scanlon doch noch, und in seiner Stimme schwang etwas mit, das Fischer noch nie zuvor gehört hatte.
    »Von Natur aus angepasst«, sagte er.

Liftboy
    Zwei Kilometer unter seinen Füßen wogte der Pazifische Ozean. Hinter ihm saß eine Fracht aus Psychopathen mit leerem Blick. Und der Schwebelifter wurde von einer Pizza mit extra viel Käse gesteuert. Wie kaum anders zu erwarten, gefiel Joel Kita das alles ganz und gar nicht.
    Zumindest war er diesmal darauf vorbereitet gewesen. Die Netzbehörde hatte ihn mit ihren Lektionen in Chaostheorie endlich einmal nicht überraschen können. Er hatte es bereits vor knapp einer Woche kommen gesehen, als es Ray Stericker erwischt hatte. Ray war in diesem Cockpit gewesen und hatte zugesehen, wie die Pizza installiert wurde, und sich zweifellos gefragt, wann sich der Begriff »Arbeitsplatzsicherheit« in ein Oxymoron verwandelt hatte.
    »Ich soll eine Woche lang darauf aufpassen«, hatte er damals gesagt. Joel war in das Tauchboot hinabgeklettert, um die üblichen Routineüberprüfungen vor dem Abflug durchzuführen, und hatte seinen Freund an der Steuerung vorgefunden. Ray hatte durch die offene Luke nach oben auf das Cockpit des Lifters gedeutet, wo gerade ein paar Techniker damit beschäftigt waren, etwas mit der Steuerung zu verbinden. »Nur für den Fall, dass es beim Einsatz einen Fehler macht. Dann bin ich weg.«
    »Wohin?« Joel hatte es nicht glauben können. Ray war schon seit einer Ewigkeit auf der Juan-de-Fuca-Route im Einsatz, noch vor dem Geothermalprogramm. Früher war er sogar einmal Arbeitnehmer gewesen, als das noch üblich gewesen war.
    »Wahrscheinlich werde ich eine Zeitlang auf der Gorda-Route arbeiten. Danach – wer weiß? Es wird nicht mehr lange dauern, bis alles umgerüstet ist.«
    Joel warf einen Blick durch die Luke nach oben. Die Techniker fummelten an einer quadratischen, vanillefarbenen Kiste herum, die etwa fünfzig Zentimeter Seitenlänge hatte und doppelt so breit war wie Kitas Handgelenk. »Was ist das für ein verdammtes Ding? Eine Art Autopilot?«
    »Mit einem Unterschied. Er kann auch starten und landen. Und noch ein paar andere nette Dinge.«
    Verdammter Mist. Menschen hatten dreidimensionale räumliche Informationen schon immer besser verarbeiten können als die Maschinen, die ständig versuchten, sie zu ersetzen. Natürlich waren auch Maschinen in der Lage, einen Baum oder ein Gebäude zu erkennen, wenn man sie darauf hinwies, doch sie gerieten durcheinander, sobald die Objekte um ein paar Grad gedreht wurden. Ihre Gestalt veränderte sich, Kontrast und Schatten waren nicht mehr wie vorher, und diese Halbleiter-Möchtegernhirne brauchten viel zu lange, um sich im Raum zu orientieren und zu erkennen: ja, es ist immer noch ein Baum, und nein, er hat