Abgrund: Roman (German Edition)
Abstand von vier Sekunden ein merkwürdiges akustisches Signal ab.
Joel tippt ein paar Befehle an die Tauchflächen ein. Das Tauchboot beendet sein spiralförmiges Trudeln und fährt in nordöstliche Richtung weiter. Die Station Beebe, die immer noch kaum mehr als ein heller Fleck ist, bleibt achtern zurück.
In den Scheinwerfern des Tauchboots ist plötzlich der Meeresboden zu sehen: Unter ihnen gleitet knochengrauer Schlamm vorbei, aus dem hin und wieder Felsgebilde ragen wie große, zerquetschte Schaumgummis aus Lava und Bimsstein. Im Cockpit wandert ein blinkender Lichtpunkt in Zeitlupe auf die Mitte der topografischen Anzeige zu.
Etwas stürzt sich von oben auf sie; das dumpfe, feuchte Geräusch des Aufpralls hallt kurz durch die Hülle wider. Joel blickt durch die hintere Sichtluke, doch er sieht nichts. Kurz hintereinander sind weitere dumpfe Schläge zu hören. Das Tauchboot surrt unbeirrt weiter.
»Da.«
Es wirkt fast wie ein Rettungsbootbehälter von etwa drei Metern Länge. An einer Konsole an seinem abgerundeten Ende leuchten Anzeigen. Es ruht auf einem Teppich aus riesigen Bartwürmern, deren federartige Kronen zum Filtrieren voll ausgefahren sind. Joel muss an Moses als Kind denken, der in einem Haufen mutierter Binsen liegt.
»Moment mal«, sagt Jarvis. »Schalten Sie erst einmal die Lichter aus.«
»Wozu?«
»Sie brauchen sie doch nicht, oder?«
»Eigentlich nicht. Zur Not kann ich auch die Instrumente benutzen. Aber warum …«
»Tun Sie es einfach, ja?« Jarvis die Quasselstrippe wirkt plötzlich sehr geschäftsmäßig.
Dunkelheit breitet sich im Cockpit aus und wird nur vom Leuchten der Anzeigen durchbrochen. Joel nimmt eine Datenbrille von einem Haken zu seiner Linken. Dank der Lichtverstärker am Bauch des Tauchboots kann er den Meeresboden erkennen, der in blasses Blau und Schwarz getaucht ist.
Er bringt das Tauchboot direkt über dem Behälter in Stellung und hört das Klirren und Quietschen von Enterhaken, die sich unter ihnen vom Deck lösen; schiefergraue metallene Klauen schieben sich in sein Blickfeld.
»Besprühen Sie es, bevor Sie es hochheben«, sagt Jarvis.
Joel streckt die Hände aus und tippt die entsprechenden Befehle ein, ohne hinzuschauen. In der Datenbrille sieht er, wie aus Jarvis’ Tank eine Sprühdüse ausgefahren wird, die wie eine dünne Kobra den Behälter ins Visier nimmt.
»Machen Sie schon.«
Die Düse spuckt eine dunkle graublaue Masse aus, besprüht damit den gesamten Behälter und fegt das Benthos zu beiden Seiten fort. Die Bartwürmer verschwinden in ihren Tunneln und schließen die Türen hinter sich; der gesamte Wald aus Staubwedeln löst sich augenblicklich auf, und zurück bleibt nur eine Menge versiegelter ledriger Röhren.
Die Düse spuckt weiterhin ihr Gift aus.
Eine der Röhren öffnet sich beinahe zögerlich. Etwas Dunkles, Sehniges steigt zuckend daraus auf. Als die graue Wolke darüber hinwegtreibt, sackt es leblos über dem Rand seiner Höhle zusammen. Andere Röhren öffnen sich nun ebenfalls. Wirbellose Leichen sinken herab.
»Was ist in dem Zeug?«, flüstert Joel.
»Zyanide. Rotenon. Und noch ein paar andere Dinge. Es ist eine Art Cocktail.«
Die Düse spuckt noch einige Wolken aus und versiegt dann. Automatisch fährt Joel sie wieder ein.
»Also gut«, sagt Jarvis. »Dann wollen wir es mal einpacken und zurückfahren.«
Joel rührt sich nicht.
»Hee«, sagt Jarvis.
Joel schüttelt den Kopf und bedient die Maschinen. Das Tauchboot fährt einen Arm aus, drückt den Behälter in einer metallenen Umarmung an sich und hebt ihn vom Meeresboden hoch. Joel nimmt sich die Datenbrille ab und berührt die Steuerung. Sie beginnen aufzusteigen.
»Eine ziemlich gründliche Säuberung«, stellt Joel nach einer Weile fest.
»Tja, die Probe kostet uns ein hübsches Sümmchen. Wäre doch schade, wenn sie verunreinigt wäre.«
»Verstehe.«
»Sie können wieder das Licht einschalten«, sagt Jarvis. »Wie lange, bis wir die Oberfläche erreicht haben?«
Joel bläst das Wasser aus den Tauchzellen. »Zwanzig Minuten, halbe Stunde.«
»Ich hoffe, der Pilot des Lifters langweilt sich nicht allzu sehr.« Jarvis gibt sich nun wieder ganz kumpelhaft.
»Der Lifter hat keinen Piloten. Er wird von einem intelligenten Gel gesteuert.«
»Tatsächlich? Was Sie nicht sagen.« Jarvis runzelt die Stirn. »Gruselig, diese Gele. Wussten Sie, dass eins von ihnen vor ein paar Jahren in London einen Haufen Leute erstickt hat?«
Ja, will Joel erwidern, doch
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