Abiona - Das Bündnis (German Edition)
ihr gewollt? War er geschickt worden, um sie zu töten? Aber warum hatte er es nicht getan? Ach ja, das Gesetz der Unterwelt! Einem Dämon war es nicht möglich, einen Menschen willentlich und ohne dessen Einverständnis zu töten. Er konnte zwar Situationen herbeiführen, die den Menschen in eine lebensbedrohliche Lage brachten, konnte ihn besetzen und verschrecken. Aber um ihn wirklich zu töten, dazu bedurfte es einer Abfolge von hinterlistigen Fallen, in die das Opfer freien Willens hineintappen musste. Das hieß aber auch: Sie musste auf der Hut sein! Denn wenn es ein Diener der Dunklen Herrin auf sie abgesehen hatte, dann war das erst der Anfang!
Eldana blickte auf. Zu ihrer Rechten zog sich ein stiller Bachlauf bogenförmig durch die Landschaft. Er führte zu einem schönen Tal mit einer Wiese, auf der einige Schafe weideten. Eldana kniff die Augen zusammen und ihr Herz machte einen Hüpfer. Dort zwischen zwei schlanken hohen Bäumen stand gemächlich grasend ihre Stute Samrin. Sie erkannte sie an der weißen Blesse, die sich breit über die Stirn und Nase der Braunen abzeichnete. Eldana beschleunigte ihre Schritte.
»Ja, ist ja schon gut«, flüsterte sie erleichtert, als sie das Pferd fast erreicht hatte. »Du bist ein braves Tier und wirst mich jetzt ganz schnell ins nächste Dorf bringen.« Sie tätschelte der Stute umsichtig den Hals.
Die Stute betrachtete sie aufmerksam aus den Augenwinkeln, machte aber keine Anstalten, ihr Festessen zu unterbrechen. Dafür drang eine knarrende Flüsterstimme leise an Eldanas Ohr: »Steig schon auf, Lichtlose. Oder willst du Madame Dämmernis auf unsere Fährte holen?«
Eldanas Herzschlag beschleunigte sich. »Korkoran?«, zischte sie leise.
»Keine Namen. Werden beobachtet. Los, mach schon! Ich spiele heute schon den ganzen Tag Stute und irgendwann wird sie es merken!«
Eldana musste widerwillig grinsen. Die Vorstellung, Korkoran zu besteigen, erschien ihr so absurd und gleichzeitig amüsant, dass sie einen Moment lang zögerte. Dann tätschelte sie die Stute erneut und sagte laut: »Ich hoffe, du hast dich soweit ausgeruht, dass du die nächsten Stunden keine Pause brauchst.«
Das Dämonenpferd schnaubte und Eldana saß flink wie ein junges Mädchen auf. Pfeilschnell schoss die vorgebliche Stute dann über die Wiese hinweg. Ihre Hufen berührten dabei kaum den Boden. Oder lösten sich ihre Hufe auf in etwas, das sich anfühlte wie Luft? Eldana wusste es nicht. Sie wusste nur, dass sie Korkoran dankbar war. Und sie hoffte, sie würde ihre vielen Schulden irgendwann bei ihm begleichen können.
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Als sich die Gestalt Torfuns vor ihren Augen verdichtete, konnte Shekowah zum ersten Mal die Faszination Falfarevs für den Dunklen teilen. Stolz und ernst ragte der Dämon vor ihnen auf und aus seinen Augen sprach eine uralte Weisheit und tiefe Sehnsucht nach… ja, nach was nur?
Torfun schenkte zunächst Falfarev einen wachen Blick und wandte sich dann mit einer leichten Verbeugung Shekowah zu. »Es gibt Neuigkeiten… und keine guten...«
Der König sprang überrascht auf und seinen Fuß durchbohrte ein schmerzhafter Stich. »Geht es um Eldana? Ist ihr etwas passiert?«
Der Dämon schüttelte den Kopf. »Nein, über Eldana wurde ich nicht informiert. Diese Obliegenheit fällt in Korkorans Verantwortungsbereich und es erscheint uns momentan sicherer, möglichst wenig voneinander zu wissen, falls man uns verhört.«
»Warum das? Gibt es irgendwelche Anzeichen dafür?«
Torfun entledigte sich seines Mantels und setzte sich auf den freien Hocker neben Falfarev, der ihn sorgenvoll musterte.
»Ja, es gibt Anzeichen. Deshalb bin ich hier. – On To Rack, ein Dritter und Rebell, wie ihr es nennen würdet, wurde verhört, weil er sich nicht zu vorgegebener Zeit bei der Dunklen Herrscherin eingefunden hatte. Er war von uns damit beauftragt worden, die Besetzung Hanriks zu sabotieren. Doch das stellte sich als schwieriger und langwieriger heraus, als wir gedacht hatten. Denn euer Gelehrter war von niemand anderem als Ju Lissanto heimgesucht worden, einem sehr alten Dämon zweiter Kategorie aus der Dynastie der Vernichter. Sehr kühn, sehr begabt und sehr brutal.«
Er schwieg eine Weile und schien seinen eigenen Gedanken nachzuhängen. Falfarev schaukelte unruhig auf seinem Stuhl auf und ab. »Wie geht es Hanrik jetzt? Ist etwas… nicht in Ordnung?«
Torfun reagierte nicht auf die Frage des Künstlers, sondern fuhr mit tonloser Stimme fort: »Wir, die
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