Abiona - Das Bündnis (German Edition)
will und wohin wir gehen müssen, aber dafür nicht, welche Seelenrolle ich habe.«
Vankoti ergriff ihre Schultern. »Du bist eine Heilerin, meine Feuerfee. Du hast mir meine Stimme zurückgegeben und jetzt hast du den Ruf eines Kranken vernommen und eilst, um ihm zu helfen. Und du hast Recht! Lass uns zurückkehren, damit wir uns unseren Aufgaben stellen können. Wir sind erwachsen. Vielleicht wissen das die anderen noch nicht. Aber es ist an der Zeit, es ihnen zu zeigen!«
»Na gut«, erwiderte Sylan gut gelaunt und packte das restliche Essen wieder in ihre Tasche. Dann pflückte sie ein Windröschen vom Waldesrand, steckte es sich in das seidig schimmernde Haar, erwiderte Vankotis Lächeln und marschierte mit ihm Hand in Hand in Richtung Lichterstadt los.
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Jack ließ den Blick über die Landschaft schweifen. Er hatte sich schon als Kind gewünscht, fliegen zu können. Jetzt tat er es. Körperlos, doch im vollen Bewusstsein, dass er eine Identität, eine Aufgabe und ein Ziel hatte.
Unter ihm lag der Helfanio-Hof. Das Dach des Haupthauses bedurfte dringend einer Instandsetzung und die tiefhängenden Äste der Schwarzerlen schwankten bedrohlich über dem kleinen Backhaus, als wollten sie den nächsten Sturm einladen, sie vom Stamm zu befreien, um das verräterische Wissende Auge unter sich zu begraben.
Jack jedoch schenkte dem Backhaus nur einen kurzen Blick. Er hatte jetzt andere Sorgen: Er musste seinen Körper finden und sehen, ob er ihn weiter durchs Leben tragen wollte oder inzwischen ein Opfer des Verfalls geworden war. Ihm graute davor, in diese körperliche Hülle zurückzukehren. Zurück zu der Last des Lebens, zurück zu der Angst vor Verletzung, Kälte und Tod und zurück zu einem Leben, das ihn von der trennte, die er nun verstand – Tenkara.
Das Mischen ihrer beider Substanzen hatte Jack Einblick gewährt in ihre Gedankenwelt und ihre verwirrenden Erinnerungen. Diese Erfahrung würde er nie vergessen. Oder doch? Wenn er seinen eigenen Körper wieder eingenommen hatte?
Jacks Blick verweilte auf dem schwarz verfärbten Kastanienbaum. Der Baum war leblos und ohne Kraft. Er war gedemütigt worden von dunklen Mächten, die stärker waren als der grüne Lebenssaft, der durch die winterverträumten Wurzeln, den zerfurchten Stamm und die alten starken Äste pulsiert war und den Baum im Frühjahr stets zum explosionsartigen Austreiben seiner aufrechten weißen Blüten veranlasst hatte.
Jack fröstelte und seine Gedanken kehrten zu Tenkara zurück. Er wusste nun, wie die Dunklen den Aufenthalt in der Oberen Welt bewältigten. Sie bedienten sich der Vadoiten unterer Klassen und gestalteten sie nach ihren Vorstellungen um. Diese Hülle log das Abbild eines menschlichen Körpers solange vor, bis sie sich auflöste. Das Höllenwasser der schwarzen Seen zögerte diesen Prozess zwar heraus, doch irgendwann verbrannte die vadoitische Substanz an der sauerstoffreichen Atmosphäre der Erde. Das war auch der Grund, warum die Dämonen nach einigen Tagen in die Unterwelt zurückkehren mussten. Sie erneuerten ihren Vorrat an niederen Vadoiten und erholten sich im Substanznebel von den Strapazen der Materialisation.
Jack ließ den Bauernhof und das angrenzende Feld hinter sich. Er überflog den Wald, der bereits erste Anzeichen des aufkommenden Frühlings zeigte und hielt dabei Ausschau nach dem Götterfelsen. Tenkara hatte ihm nicht sagen können, wie die Wiedervereinigung mit seinem Körper vonstatten gehen würde. Aber sie hatte ihm von einer Barriere erzählt, die zwischen ihrer und seiner Welt existierte und die ein menschlicher Körper nicht durchdringen konnte. Dort am Rande dieser Barriere, in der Höhle des Übergangs, hatte er seinen Körper zurückgelassen, um Abiona zu folgen. Und dort wartete er womöglich immer noch auf ihn, wenn sich die vadoitische Schutzumhüllung, die Tenkara für ihn gewoben hatte, nicht bereits aufgelöst hatte.
Der Götterfelsen erhob sich anmutig wie das Tor zu einem verwunschenen Palast. Die zarten Lichtstrahlen des anbrechenden Morgens beleuchteten seine majestätische Gestalt und ließen Jack ehrfürchtig innehalten. Er wusste, dass sich der Eingang zur Höhle direkt hinter einer Spalte verbarg, durch die einst das heilende Wasser geflossen war.
Langsam schwebte er darauf zu und machte sich bereit, die dichte Steinstruktur zu durchdringen. Es gelang ihm mühelos. Bald darauf befand er sich in einem schmalen Gang, der sich nach einigen Schritten zu
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