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Abonji, Melinda Nadj

Abonji, Melinda Nadj

Titel: Abonji, Melinda Nadj Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tauben flieggen auf
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die in ihren fersenfreien Gesundheitsschuhen
aufgeregt hin und her trippelt, Vater, der natürlich erzählen muss, dass wir an
der Grenze schikaniert worden sind, Mutter, die die in die heisse Sommerluft
geschleuderten Anschuldigungen gekonnt ins Leere laufen lässt, wir haben dir
ein Geschenk über die Grenze geschmuggelt, sagt Mutter und überreicht Janka
ein Paket, wir haben's für dich eingepackt, sagt Nomi plötzlich, und ich frage
mich, ob man das in so einem Moment sagen kann, vielen Dank, antwortet Janka,
ihr hättet euer Leben nicht für mich risikieren sollen, und sie lacht, lacht
über ihren eigenen Witz, denke ich, und was ist daran überhaupt lustig? Nomi
stösst mir ihren Ellbogen leicht in die Seite, und natürlich sehe ich, dass
Jankas Vorderzähne riesig sind, dass sich zwischen ihren Zähnen Spalten
auftun, Abgründe des Hässlichen, kann man so überhaupt lachen?
    Wir, die wir uns schon daran
gewöhnt haben, verhalten oder gar nicht zu lachen.
    Und wann wird es endlich
vorbei sein, denke ich, wann können wir uns verabschieden, damit es wieder so
ist wie vorher, aber ich weiss noch, dass der feine Wind im Restaurant fühlbar
war, die warme Sommerluft, die die Wangen streichelte und uns zum Bleiben zu
ermuntern schien, was hat Janka denn erzählt, in jenem August 1984? Sicher von
der Schule, dass sie gerade das Abitur gemacht hat, von ihrem Freund hat sie
wahrscheinlich nichts erzählt, und ihre Mutter hat sie bestimmt nicht erwähnt.
Von ihren Plänen wird sie erzählt haben, ihrem Traumberuf, sie wird uns gezeigt
haben, dass sie sich über unser Geschenk freut, über den Kassettenrecorder, ein
Modell, das bei uns noch gar nicht erhältlich ist, wird sie gesagt haben, in
zehn Jahren können wir vielleicht für so was Schlange stehen, so wird sie
gestrahlt haben, all das wird so gewesen sein; aber die Trauerweiden haben für
uns ein Lied gesungen, ich habe es genau gehört, sie haben für uns die müden,
ausgedorrten Blätter in den Fluss hängen lassen, damit wir uns verstehen in
unserem kleinen Kummer, der doch die Welt bedeutet, und obwohl ich mir den Text
merken wollte, habe ich ihn vergessen, auch das habe ich vergessen.
    Darf ich euch mal besuchen,
fragt Janka zum Abschied, ich würde euch zu gern wiedersehen, sagt Janka, und
die Schweiz, das soll ja das Land sein, in dem Milch und Honig fliessen, sagt
sie, ich möchte von dieser berühmten Spezialität kosten, die ihr habt, wie
heisst sie schon wieder? Oh, und niemand kann Janka antworten, weil wir nicht
wissen, welche berühmte Spezialität sie meint, ja, wir werden dir alles zeigen,
sagt Vater, du wirst staunen, was es bei uns alles gibt, und Janka lacht mit
ihren verbotenen Zähnen, verkleidet den Kassettenrecorder wieder mit dem
knirschenden Styropor, bevor sie uns der Reihe nach umarmt, und dann fängt sie
wirklich an zu heulen, sie kann doch tatsächlich ihre Tränen nicht
zurückhalten, meine Schwestern, sagt sie leise, wir werden uns doch bald
wiedersehen, oder? Und es wäre mir lieber gewesen, sie hätte ihr Herz verschlossen,
weil Nomi und ich wegen ihr so tun müssen, als seien wir aus Stein (und ich muss
an die Attrappen denken, die als Fischköder ausgeworfen werden, damit sich der
richtige, grosse Fisch in sie verbeisst), wir müssen sogar härter sein als der
Grenzpolizist, sonst hätten wir möglicherweise auch geweint, unser Herz wäre so
weich geworden, dass man es hätte aufs Butterbrot schmieren können, sonst
hätten wir uns nicht wieder in unseren Mercedes gesetzt, Nomi und ich hätten
uns nicht auf den Rücksitz gekniet, um Janka nachzuschauen, wie sie in ihrem
zitronengelben Kleid allein dasteht, uns mit einer Hand und kleinen Bewegungen
nachwinkt, jetzt sieht sie ganz verloren aus, sagt Nomi, und wir knien noch
lange auf dem Rücksitz, auch als unsere Halbschwester längstens nicht mehr zu
sehen ist.
    Es war im gleichen Sommer, als
wir Janka getroffen haben, ziemlich sicher, sonst war es ein Jahr später,
Mutter und Vater sind bei Onkel Móric und Tante Manci zu Besuch, und Nomi und
ich, wir helfen Mamika im Garten, Tomaten und Bohnen ernten, Kartoffeln,
erzählen Sie uns etwas über Vater, sagt Nomi, Sie können wir ja fragen, Vater
nicht, Mamika, die einen Moment lang innehält, ihre halb gefüllte Schürze mit
gelben Bohnen, ihre schief getretenen, dreckigen Gartenschuhe, was willst du
deinen Vater fragen, mein Mädchen, und Mamika leert ihre Schürze über der
Emailleschüssel aus. Wegen dieser anderen Frau, wie

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