About a Boy
Zwanzig-Zeiteinheiten-Kreuzworträtsel-auf-dem-Klo-Tages sehr selten mit echten Dramen konfrontiert wurde - wanderten seine Gedanken immer wieder zu Marcus und Fiona, und er fragte sich, wie es ihnen ging. Außerdem kam ihm, in Ermangelung einer Anzeige im Me dia Guardian, die ihn hätte fesseln können, die eigenartige und wahrscheinlich ungesunde Idee, sich irgendwie in ihre Leben einzumischen. Vielleicht brauchten Fiona und Marcus ihn mehr als Suzie. Vielleicht konnte er … für diese beiden wirklich etwas tun. Er könnte ein onkelhaftes Interesse an ihnen entwickeln, ein wenig Halt und Heiterkeit in ihr Leben bringen. Er würde sich mit Marcus anfreunden, ihn ab und zu irgendwohin mitnehmen - zu Arsenal, möglicherweise. Und vielleicht würde Fiona gerne mal schön zu Abend essen oder ins Theater gehen.
Am späten Vormittag rief er Suzie an. Megan machte ein
Schläfchen, und Suzie hatte sich gerade mit einer Tasse Kaffee hingesetzt.
»Ich wollte mal hören, wie die Dinge stehen«, sagte er. »Nicht allzu schlimm, denke ich. Sie arbeitet heute noch nicht, aber Marcus ist wieder zur Schule gegangen. Und bei dir?« »Alles bestens, danke.« »Du klingst so fröhlich. Hat sich alles geklärt?«
Wenn er fröhlich klang, musste es wohl so sein. »Oh, ja.
Schwamm drüber.«
»Und Ned geht es gut?«
»Ja, wunderbar. Stimmt’s, Ned?« Warum hatte er das getan? Es
war eine vollkommen unnötige Ausschmückung. Warum konn
te er es nicht einfach lassen?
»Gut.«
»Hör mal, glaubst du, ich könnte Marcus und Fiona irgendwie helfen? Mit Marcus mal was unternehmen oder so?« »Würdest du denn gerne?«
»Natürlich. Er wirkte … « Wie? Wie wirkte Marcus denn, außer leicht verrückt und etwas feindselig? »Er wirkte nett. Wir sind gut klargekommen. Vielleicht könnte ich, na ja, an neulich anknüpfen.« »Soll ich Fiona einfach mal fragen?«
»Danke. Und es wäre nett, dich und Megan bald mal wieder zu sehen.«
»Ich brenne immer noch darauf, Ned kennen zu lernen.« »Wir müssen uns mal verabreden.«
So, da hatte er es also: eine riesige, glückliche Großfamilie. Wohl wahr, zu dieser Familie gehörten ein unsichtbarer Zweijähriger, ein bekloppter Zwölfjähriger und seine suizidale Mutter; aber wie es der Teufel wollte, war das genau die Art von Familie, mit der man enden musste, wenn man im Grunde Familien nicht ausstehen konnte.
Will kaufte sich ein Ti me Out und las es (mehr oder weniger)
von vorne bis hinten durch, um etwas zu finden, wozu ein Zwölfjähriger an einem Samstagnachmittag möglicherweise Lust haben könnte - genauer gesagt nach etwas, das Marcus verdeutlichen würde, dass er es hier nicht mit dem durchschnittlichen, peinlich unhippen Sechsunddreißigjährigen zu tun hatte. Er fing mit der Kinder-Rubrik an, kam aber bald zu dem Schluss, dass Marcus nicht das Kind für Linolschnitte war, oder das Kind für Puppentheater, oder überhaupt ein Kind; mit zwölf Jahren hatte er seine Kindheit hinter sich. Will versuchte sich zu erinnern, was er in dem Alter gerne gemacht hatte, aber es fiel ihm nichts ein, obwohl er noch gut wusste, was er verabscheut hatte. Was er verabscheute, waren die Dinge, zu denen die Erwachsenen ihn nötigten, so gut es diese Erwachsenen auch meinten. Vielleicht wäre das Coolste, was er für Marcus tun konnte, ihm am Samstagnachmittag freien Auslauf zu geben - ihm etwas Geld zu geben, ihn mit nach Soho zu nehmen und ihn dann sich selbst zu überlassen. Er musste sich allerdings eingestehen, dass er damit, obwohl es Punkte auf dem Coolometer einbrächte, auf der Verantwortungs- und In-loco-parentis-Skala weniger gut abschneiden würde: Sollte Marcus sich für eine Stricherkarriere entscheiden und seine Mutter ihn nie wiedersehen, würde sich Will verantwortlich fühlen, es möglicherweise sogar bedauern.
Kino? Spielhallen? Eislaufen? Museen? Kunstgalerien? Brent Cross? McDonald’s? Jesus, wie kam irgendwer durch die Kindheit, ohne in einen mehrjährigen Tiefschlaf zu fallen? Wäre er gezwungen, seine Kindheit noch einmal zu durchleben, würde er ins Bett gehen, sobald Schwa rzer Peter seinen Reiz verlor, und darum bitten, erst geweckt zu werden, wenn er volljährig war. Kein Wunder, dass junge Menschen sich Verbrechen, Drogen und Prostitution zuwandten. Sie wandten sich Verbrechen, Drogen und Prostitution zu, weil sie heutzu tage im Angebot waren, eine aufregende, farbenfrohe und schmackhafte Palette neuer Möglichkeiten, die ihm noch versagt geblieben waren. Die
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