About a Boy
vorstellen.«
Ihm war schleierhaft, wovon sie sprach. Warum sollte jemand dem, was Marcus sagte, die leiseste Beachtung schenken? »Wissen Sie, das ist das Erste, woran man denkt, wenn man sich vom Vater seines Sohnes trennt, dass man einen Mann im Haus braucht und so was. Und dann gewinnt der gesunde feministische Menschenverstand. Aber seit Marcus alt genug ist, es zu verstehen, haben wir immer wieder darüber gesprochen, und Marcus hat mir immer versichert, es sei kein Problem. Und dann kam es gestern wie aus heiterem Himmel. Er hat immer gewusst, wie viel Sorgen mir das macht.«
Will wollte damit nichts zu tun haben. Ihm war es gleichgültig, ob Marcus einen Mann in seinem Leben brauchte oder nicht. Warum sollte ihn das kümmern? Es war nicht sein Bier, auch wenn er der in Frage kommende Mann zu sein schien. Er hatte nicht darum gebeten, es zu sein, und außerdem war er fast sicher, falls Marcus einen Mann brauchte, dann keinen wie ihn. Aber als er Fiona jetzt zuhörte, wurde ihm bewusst, dass er Marcus in mancher Hinsicht zumindest besser verstand als sie - möglicherweise, gestand er sich widerstrebend ein, weil er ein Mann war und Fiona nicht, und möglicherweise, weil Marcus, auf seine eigene kindliche und exzentrische Weise, ein verschlagener Mann war. Will kannte sich mit verschlagenen Männern aus.
»Na, da haben Sie es doch«, sagte er unumwunden.
»Was habe ich?«
»Darum hat er es gesagt. Weil er wusste, dass es seinen Zweck
erfüllen würde.«
»Welchen Zweck?«
»Irgendeinen Zweck, den er gerade damit verfolgte. Ich vermute, er hat es sich für den Ernstfall aufgehoben. Das war sein Killerargument. Worüber haben Sie sich gestritten?« »Ich hatte ihm noch einmal gesagt, dass ich gegen seine Freundschaft mit Ihnen bin.«
»Oh.« Das bedeutete nichts Gutes. Wenn Marcus bereit war, seinetwegen das Killerargument zu bringen, hing er tiefer drin, als er befürchtet hatte.
»Verstehe ich Sie richtig? Wollen Sie sagen, dass er mich dort
treffen wollte, wo ich am verletzlichsten bin, nur um in einem
Streit die Oberhand zu behalten?«
»Na klar hat er das getan.«
»Marcus ist dazu nicht fähig.«
Will schnaubte. »Der ist zu allem fähig.«
»Glauben Sie das wirklich?«
»Er ist ja nicht dämlich.«
»Es ist nicht seine Intelligenz, um die ich mir Sorgen mache. Es ist seine … emotionale Aufrichtigkeit.«
Will schnaubte wieder. Er hatte vorgehabt, während dieses Gesprächs seine Gedanken für sich zu behalten, aber irgendwie entwichen sie ihm durch die Nase. Auf welchem Planeten lebte diese Frau? Sie war so weltfremd, dass sie ihm als sehr unwahrscheinliche Kandidatin für Depressionen und Selbstmordabsichten erschien, obwohl sie mit geschlossenen Augen sang: Jemand, der allem Irdischen so entrückt war, musste doch unter einem besonderen Schutz stehen? Aber natürlich gehörte das mit zum Problem. Sie saß hier, weil die Cleverness eines Zwölfjährigen sie unsanft auf die Erde zurückgebracht hatte, und wenn Marcus das schaffte, schaffte es auch jeder Lieb haber oder Vermieter - jeder Erwachsene, der sie nicht liebte. Weltfremd zu sein war kein Schutz. Warum mussten diese Leute sich das Leben unbedingt so schwer machen? Das Leben war einfach, ein Klacks, eine einfache Rechenaufgabe: Menschen zu lieben und sich von ihnen lieben zu lassen war das Risiko nur wert, wenn die Quoten zu den eigenen Gunsten standen, aber das taten sie eindeutig nicht. Es gab ungefähr neunundsiebzig Fantastilliarden Menschen auf der Welt, und wenn man sehr, sehr viel Glück hatte, wurde man letztendlich von fünfzehn oder zwanzig von ihnen geliebt. Wie schlau musste man sein, um sich auszurechnen, dass sich das Risiko einfach nicht lohnte? Okay, Fiona hatte den Fehler begangen, ein Kind zu bekommen, aber davon ging die Welt nicht unter. An ihrer Stelle hätte Will sich von dem kleinen Aas nicht unterbuttern lassen.
Fiona sah ihn an. »Warum machen Sie das bei allem, was ich
sage?«
»Was?«
»Dieses schnaubende Geräusch?«
»Tut mir Leid. Es ist nur … Ich weiß nichts über, na ja, Entwicklungsstadien und was Kinder können müssen und wann. Aber ich weiß, dass ungefähr jetzt die Zeit anfängt, ab der man keinem männlichen Wesen ein Wort glauben darf, wenn es über seine Gefühle spricht.« Fiona starrte freudlos in ihr Guinness.
»Und wann hört das auf, Ihrer fachmännischen Meinung nach?« Die letzten beiden Worte waren wie ein Schnitt mit einer rostigen, schartigen Klinge, aber Will ignorierte das. »Wenn
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