About a Boy
Nachhauseweg seine Schuhe, seine Jacke, Hemd, Hose, Unterwäsche und möglicherweise ein Auge oder ein Stück seines Ohrs einbüßen. Die Entscheidung würde ihm nicht viel Schlaf rauben.
Er ging am Anfang der großen Pause, zu der Zeit, die ihm seine Klassenlehrerin genannt hatte, aber Mrs. Morrison war noch nicht so weit. Er konnte durch die Tür hören, wie sie irgendwen zusammenschiss. Zuerst wartete er alleine, aber dann setzte sich Ellie McCrae, dieses aufsässige, abgerissene Mädchen aus der Zehnten, das sich selbst ungeschickt die Haare schnitt und die Lippen schwarz anmalte, auf einen Stuhl ganz außen in der Reihe vor dem Büro. Ellie war berühmt. Sie hatte ständig wegen irgendwas Ärger, meistens wegen ziemlich schlimmer Sachen.
Sie saßen eine Weile schweigend da, dann kam Marcus die Idee, sie anzusprechen; seine Mutter war ständig hinterher, dass er mit Leuten aus der Schule redete.
»Hallo, Ellie«, sagte er. Sie sah ihn an und lachte einmal kurz, schüttelte verbiestert den Kopf und wandte sich wieder ab. Marcus war das egal. Eigentlich musste er fast lachen. Er wünschte, er hätte eine Videokamera dabei. Er würde seiner Mutter zu gerne vorführen, was passierte, wenn man versuchte, mit einem der anderen Kinder in der Schule zu reden, besonders mit einem der älteren, besonders mit einem Mädchen. Ein zweites Mal würde er das nicht versuchen.
»Wieso kennt hier eigentlich jede dreckige kleine Rotznase meinen Namen?«
Marcus konnte nicht glauben, dass sie mit ihm sprach, und als er sie ansah, schienen seine Zweifel berechtigt, denn sie blickte immer noch in die andere Richtung. Er beschloss, sie zu ignorieren.
»Ey, ich rede mit dir. Sei gefälligst nicht so scheißunhöflich.« »Verzeihung. Ich wusste nicht, dass du mit mir sprichst.« »Siehst du hier noch eine andere dreckige kleine Rotznase?« »Nein«, gab Marcus zu.
»Also. Wieso kennst du meinen Namen? Ich habe keinen Schimmer, wer du bist.«
»Du bist berühmt.« Er wusste, sobald er es ausgesprochen hat
te, dass es ein Fehler war.
»Wofür bin ich berühmt?«
»Weiß nich.«
»Und ob du das weißt. Ich bin berühmt, weil ich ewig Ärger
habe.«
»Stimmt.«
»Verdammter Scheißdreck.«
Sie saßen wieder eine Weile da. Marcus hatte keine Lust, das Schweigen zu brechen; wenn es schon so viel Ärger gab, wenn man bloß »Hallo, Ellie« sagte, würde er sie sicher nicht fragen, ob sie ein schönes Wochenende hatte.
»Ich habe ewig Ärger, dabei mache ich nie etwas Schlimmes.«
»Natürlich nicht.«
»Woher willst du das wissen?«
»Weil du das gerade gesagt hast.« Marcus hielt das für eine gu
te Antwort. Wenn Ellie McCrae sagte, sie hätte nichts Schlim
mes getan, dann stimmte das auch.
»Wenn du frech wirst, fängst du dir eine.«
Marcus wünschte sich, Mrs. Morrison würde sich etwas beeilen. Obwohl er gerne glauben wollte, dass Ellie noch nie im Leben etwas Schlimmes gemacht hatte, war ihm doch klar, warum manche Menschen das Gegenteil vermuten. »Weißt du, was ich diesmal angestellt habe?« »Nichts«, sagte Marcus standhaft.
»Okay. Weißt du, was ich angeblich angestellt habe?« »Nichts.« Das war sein Text, und an den würde er sich halten. »Tja, aber sie glauben anscheinend, ich hätte etwas angestellt, sonst säße ich ja nicht hier, oder?« »Nein.«
»Es ist dieses Sweatshirt. Sie wollen nicht, dass ich es trage, aber ich werde es nicht ausziehen. Also gibt es Ärger.« Er schaute es sich an. Es war für alle vorgeschrieben, Sweatshirts mit dem Schulabzeichen zu tragen, aber auf Ellies Shirt war ein Typ mit wirren Haaren und Bartstoppeln zu sehen. Er hatte große Augen und sah ein bisschen aus wie Jesus, allerdings etwas moderner und mit blondiertem Haar. »Ach, wer ist denn das?«, fragte er höflich.
»Den musst du doch kennen.«
»Ähhhm … ach, klar.«
»Und, wer ist das also?«
»Ähhhm … habe ich vergessen.«
»Du kennst ihn überhaupt nicht.«
»Stimmt.«
»Das ist unglaublich. Das ist ja so, als wüsste man nicht, wie der Premierminister heißt oder so was.«
»Tja.« Marcus lachte kurz auf, um zu zeigen, dass er, wenn er
schon sonst nichts wusste, immerhin wusste, wie blöd er war.
»Und wer ist das nun?«
»Kirk O’Bane.«
»Klar, stimmt ja.«
Er hatte noch nie von Kirk O’Bane gehört, aber schließlich
hatte er von niemandem jemals gehört.
»Was macht er?«
»Er spielt bei Manchester United.«
Marcus betrachtete noch einmal das Bild auf dem Sweatshirt, auch wenn es sich nicht vermeiden
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