About a Boy
schlucken, Weihnachten sei die Zeit der Kinder; die wahrscheinlichere Erklärung war, dass er gewisse Gemeinsamkeiten zwischen Marcus’ Kindheit und seiner eigenen sah. Nun war Will kein altkluges Kind mit falschen Turnschuhen gewesen; im Gegenteil, er hatte die richtigen Schuhe, die richtigen Socken, die richtigen Hosen und die richtigen Hemden getragen, und er hatte sich beim richtigen Friseur den richtigen Haarschnitt verpassen lassen. Für Will diente Mode nur einem Zweck: Aufseiten der Coolen und Einflussreichen gegen die Außenseiter und die Schwachen zu stehen, genau dort wollte er hin, und gegen das Tyrannisiertwerden hatte er sich erfolgreich gewehrt, indem er selbst andere unbarmherzig und begeistert tyrannisierte.
Aber in Fionas Wohnung roch es verdächtig nach dem Freemanschen Haushalt: Es beschlich einen dasselbe Gefühl von Hoffnungslosigkeit, Versagen, Ziellosigkeit und blankem Irrsinn. Natürlich war Will mit Geld groß geworden und Marcus nicht, aber man musste nicht in Geld schwimmen, um neurotisch gestört zu sein. Nun gut, Charles Freeman hatte sich mit teurem Maltwhiskey umgebracht, und Fiona hatte versucht, sich mit No-Name-Tranquilizern umzubringen. Die beiden hätten sich auf Parties trotzdem jede Menge zu erzählen gehabt.
Will gefielen die Gemeinsamkeiten, die er entdeckt hatte, nicht besonders, denn sie bedeuteten, dass er, wenn er nur das kleinste bisschen Anstand besaß, Marcus unter seine Fittiche nehmen musste und seine eigenen Erfahrungen im Aufwachsen mit einem irren Elternteil darauf verwenden musste, dem Jungen über das Schlimmste hinwegzuhelfen. Aber dazu hatte er keine Lust. Das war zu viel Arbeit und erforderte zu viel Umgang mit Leuten, die er nicht verstand und nicht mochte, und überhaupt zog er es vor, C ountdown al leine zu sehen.
Aber er hatte vergessen, dass sich die Beziehung zu Marcus und Fiona ohnehin seiner Kontrolle zu entziehen schien. Am gottverdammten zwanzigsten November, einen Tag nach dem gottverdammten neunzehnten November, als er sich mehr oder weniger entschieden hatte, Marcus würde es ohne seine Hilfe schaffen müssen, rief ihn Fiona an und redete am Telefon verrücktes Zeug.
»Marcus braucht keinen Vater, und ganz sicher braucht er keinen Vater wie Sie«, sagte sie. Will hatte schon den Faden verloren, ehe sie überhaupt angefangen hatten.
Bis zu diesem Punkt hatte er zur Konversation ein zwar reser
viertes, aber ansonsten vollkommen unprovokatives »Hallo,
wie geht’s?« beigetragen.
»Wie bitte?«
»Marcus scheint zu glauben, er brauche die Gesellschaft eines männlichen Erwachsenen. Eine Vaterfigur. Und irgendwie fiel dabei Ihr Name.«
»Nun, ich kann Ihnen sagen, Fiona, dass ich ihn nicht dazu angestiftet habe. Ich brauche die Gesellschaft eines männlichen Halbwüchsigen nicht, und ich brauche definitiv keine Sohnfigur. So, bitte. Sie und ich stimmen vollkommen überein.« »Sie werden ihn also nicht wieder sehen, selbst wenn er Sie wieder sehen möchte?«
»Warum nimmt er nicht seinen Vater als Vaterfigur? Wäre das nicht die einfachste Lösung, oder bin ich schwer von Begriff?« »Sein Vater lebt in Cambridge.«
»Was, Cambridge in Australien? Cambridge in Kalifornien? Wir sprechen doch sicher nicht von dem Cambridge die M 11
runter?«
»Marcus kann nicht die M 11 nehmen. Er ist erst zwölf.« »Moment, Moment. Sie haben mich angerufen, um mir zu sagen, ich soll mich von Marcus fern halten. Ich habe Ihnen gesagt, dass ich durchaus vorhabe, mich von ihm fern zu halten. Und jetzt sagen Sie mir … was? Irgendwo habe ich da was verpasst.«
»Sie scheinen es nur ziemlich eilig zu haben, ihn loszuwerden.«
»Also sagen Sie mir nicht, ich soll mich von ihm fern halten. Sie sagen mir, ich soll das Sorgerecht beantragen.« »Sind Sie nicht in der Lage, ein Gespräch zu führen, ohne sich in Sarkasmus zu flüchten?«
»Erklären Sie mir einfach, was Sie von mir wollen, ohne auf halber Strecke Ihre Meinung zu ändern.«
Sie seufzte. »Manchmal sind die Dinge etwas komplizierter, Will.«
»Haben Sie mich angerufen, um mir das mitzuteilen? Dann bin ich vorhin irgendwo falsch abgebogen, glaube ich, ungefähr da, wo ich noch der denkbar unpassendste Mann der Welt dafür war.«
»Mit Ihnen kann man wirklich nicht leicht reden.« »Dann reden Sie nicht mit mir!« Er brüllte jetzt fast. Er war auf jeden Fall wütend. Sie redeten seit weniger als drei Minuten, und doch hatte er schon jetzt das Gefühl, als wüchse sich diese Unterhaltung zu
Weitere Kostenlose Bücher