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About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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selbst dazu bereit wäre, es preiszugeben. Fehlanzeige. Die ganze Zeit über war ich für ihn wie ein offenes Buch gewesen, in dem er nach Belieben blättern konnte. Ausgesetzt, schutzlos.
    Mittlerweile näherten wir uns
Wildflower Ridge
. Nate drosselte das Tempo. Roscoe hopste zu mir auf den Sitz, krabbelte über mich drüber und drückte sich die Schnauze an der Fensterscheibe platt. Ohne nachzudenken, griff ich ihn mir, um ihn wieder auf seinen Platz zwischen unseren Sitzen zurückzubefördern. Doch was tat der Köter? Ich hatte ihn kaum berührt, da ließ er sich in meine Arme sinken und machte es sich auf meinem Schoß bequem. Als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. Zumindest für einen von uns beiden.
    Nate hielt vor Coras Haus an. In der Küche brannte Licht. Sowohl ihr als auch Jamies Auto standen in der Auffahrt, obwohl normalerweise keiner von beiden so früh von der Arbeit nach Hause kam, geschweige denn beide auf einmal. Kein gutes Zeichen. Ich strich mir die Haare aus dem Gesicht, wappnete mich innerlich gegen das, was nun auf mich zukam. Öffnete schließlich die Wagentür.
    »Du kannst ihnen ausrichten, er hat seine Spritzen gekriegt und die Tierärztin meint, es sei alles in Ordnung«, sagte Nate, wandte sich um und angelte Roscoes Leine vom Rücksitz. Prompt sprang der Hund auf und drängte sich näher an Nate, damit er die Leine in den Haken an seinemHalsband einrasten lassen konnte. »Und falls sie ein spezielles Verhaltenstraining mit ihm machen lassen möchten, wegen der ständigen Angstzustände, kann sie ihnen gern jemanden empfehlen.«
    »Okay«, erwiderte ich. Er gab mir das Ende der Leine. Ich nahm es, schnappte mir mit der anderen Hand meinen Rucksack, stieg zögernd aus. Roscoe hingegen folgte mir begeistert. Logo, was sonst? Zog mich hinter sich her Richtung Haus, sodass sich die Leine spannte. »Danke.«
    Nate nickte. Schwieg allerdings. Ich schloss die Beifahrertür. Doch kaum war ich losgegangen, hörte ich, wie hinter mir ein Wagenfenster runtergelassen wurde, ein surrendes Geräusch. Ich drehte mich um. Er meinte: »Ich persönlich stehe ja auf dem Standpunkt, dass Freunde einen nicht allein im Wald hängen lassen. Freunde kommen und holen einen ab.«
    Ich sah ihn bloß stumm an. Roscoe zerrte an der Leine, wollte endlich heim.
    »Das ist zumindest meine Erfahrung«, fuhr Nate fort. »Bis dann, okay?«
    Ich nickte. Seine Fenster fuhr wieder hoch. Dann setzte sein Wagen sich in Bewegung.
    Ich blickte ihm nach. Roscoe zog und zerrte. Versuchte mit aller Kraft, mich zum Haus zu bugsieren. Wohingegen ich intuitiv genau das Gegenteil tun wollte. Obwohl ich mittlerweile oft genug abgehauen beziehungsweise selbst sitzen gelassen worden war, um zu wissen, dass keins von beidem gut war. Oder gar einfach. Oder irgendwie besser. Doch erst, als wir schließlich losgingen, auf die hellen Lichter zu, die uns entgegenwinkten, wurde mir bewusst: Das jetzt, dieser Moment   – zurückkehren   –, war das Allerschwerste überhaupt.
    ***
    »Wo warst du, verdammt?«
    Ich hatte mich darauf eingestellt, Coras Wutanfall über mich ergehen lassen zu müssen. Hatte erwartet, dass Cora hinter der Tür auf mich lauerte. Doch als ich diese öffnete, stand mir Jamie gegenüber. Und er war stinksauer.
    »Jamie . . .« Ich hörte Cora, bevor ich sie sah. Sie stand am anderen Ende der Eingangshalle im Durchgang zur Küche. Roscoe war in dem Moment, da ich die Leine losließ, auf sie zugeschossen und umkreiste nun schnüffelnd ihre Füße. »Lass sie doch wenigstens erst mal hereinkommen.«
    »Ist dir klar, was für Sorgen wir uns gemacht haben?«, fragte Jamie scharf.
    »Tut mir leid«, sagte ich.
    »Ach, es ist dir doch bestimmt total egal«, konterte er.
    Ich schaute an ihm vorbei zu meiner Schwester, die Roscoe hochgehoben hatte und meinen Blick erwiderte. Ihre Augen waren rot vom Weinen, sie hielt ein Taschentuch in der Hand. Plötzlich fiel mir außerdem auf, dass sie und Jamie noch dieselben Klamotten trugen wie heute Morgen. Siedend heiß fiel mir der Arzttermin wieder ein.
    »Bist du betrunken?« Jamie, der Inquisitor. Ich schaute in den Spiegel neben der Treppe, sah mich zum ersten Mal seit Stunden selbst: das Grauen (was nicht zuletzt an Nates ausgeleiertem, viel zu großem Sweatshirt lag)! Außerdem stank ich unter Garantie nach Alk und nach wer weiß was sonst noch. Ich sah so kaputt und erschöpft und ausgepumpt
und
mir völlig vertraut aus, dass ich mich spontan abwenden musste. Ich

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