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About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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seinen Schlüsselbund, die auf der Küchentheke lagen. »Ich bin mit John verabredet, wir wollen die Änderungen der Kampagne miteinander durchgehen.«
    »Jamie«, sagte sie. Warf mir einen Blick zu.
    »Bis später.« Er küsste sie auf den Scheitel, verließ die Küche. Roscoe folgte ihm auf dem Fuß. Einen Moment später fiel die Haustür ins Schloss.
    Ich schluckte. Blickte wieder in den Garten. Bei jedem anderen Menschen wäre ein solches Verhalten fast normal gewesen und bestimmt nichts, weswegen man gekränkt sein musste. Doch obwohl ich Jamie noch nicht lang kannte, war mir sonnenklar, wie ich diesen Auftritt zu deuten hatte: als kategorische Zurück- und Zurechtweisung.
    Cora kam zu mir an den Tisch, setzte sich mir gegenüber. »Hey, das wird schon.« Sie schaute mich so lang an, bis ich mich ihr zuwandte und ihren Blick erwiderte. »Ihr zwei kriegt das wieder hin, bestimmt. Momentan ist er nur einfach sehr verletzt.«
    »Ich wollte ihm nicht wehtun«, sagte ich. Spürte, wie mir die Tränen kamen, wieder einmal. Und fühlte mich plötzlich extrem verunsichert, wobei ich schwer hätte sagen können, was peinlicher war: dass ich vor Cora oder dass ich überhaupt heulte.
    »Ich weiß.« Sie streckte die Hand aus, legte sie auf meine. »Aber du musst eins verstehen: Für ihn ist das eine ganz ungewohnte Situation. In seiner Familie redet jeder mit jedem über alles. Leute hauen nicht einfach ab und sie kommen auch nicht betrunken heim. Er ist anders als wir.«
    Als wir
. Dabei war ich bis vor Kurzem   – vielleicht sogar bis zum gestrigen Abend   – nicht einmal sicher gewesen, ob esso etwas wie ein Wir überhaupt gab. Was bedeutete, dass im Leben Veränderungen vielleicht doch nicht völlig ausgeschlossen waren. »Tut mir leid«, sagte ich. »Ehrlich.«
    Sie nickte, lehnte sich zurück, wobei sie automatisch ihre Hand wegzog. »Danke, das glaube ich dir gern. Andererseits haben wir dir vertraut, aber du hast dich so verhalten, dass unser Vertrauen erschüttert wurde. Das hat natürlich ein paar Konsequenzen.«
    Na also, jetzt geht’s los
, dachte ich. Lehnte mich auf meinem Stuhl zurück, nahm meine Wasserflasche in die Hand und machte mich aufs Schlimmste gefasst.
    »Erstens gehst du unter der Woche abends nicht mehr weg«, begann Cora ihre Aufzählung. »Und an den Wochenenden mittelfristig nur zu deinem Job. Wir haben ernsthaft darüber nachgedacht, ihn dir vorläufig ganz zu verbieten, kamen aber am Ende zu dem Schluss, dass du über die Feiertage gern weitermachen kannst, wobei wir im Januar wieder über das Thema sprechen werden. Wenn wir mitbekommen, dass du noch mal schwänzt, ist Schluss mit dem Job. Und darüber wird dann auch nicht mehr diskutiert.«
    »Okay«, sagte ich. Was hätte ich auch sonst tun sollen? Schließlich befand ich mich eindeutig in der schwächeren Position.
    Cora schluckte. Sah mich lange schweigend an. »Ich weiß, dass gestern viel passiert ist. Es war für uns beide nicht leicht, sondern sogar ziemlich aufwühlend. Aber dass du Alkohol trinkst oder Drogen nimmst . . . das
geht
nicht! Ich musste unterschreiben, dass du keins von beidem mehr machst, sonst hätten wir dich nicht bei uns aufnehmen dürfen. Wenn das Jugendamt oder der Richter jemals herausfinden, dass du und damit wir gegen diese Auflage verstoßen haben, musst du zurück ins
Poplar House
. Es darf
nie
wieder vorkommen.«
    Mir kam die eine Nacht wieder in den Sinn, die ich dort zugebracht hatte: der kratzige Schlafanzug, das schmale Bett, die leitende Sozialarbeiterin, die den Polizeibericht vorlas, während ich schweigend danebensaß. Ich schluckte: »Es kommt nie wieder vor.«
    »Wir dürfen das nicht auf die leichte Schulter nehmen, Ruby«, sagte sie. »Ich meine, als ich dich gestern Abend reinkommen sah, bin ich fast . . .«
    »Ich weiß«, warf ich ein.
    ». . . es fühlt sich einfach zu vertraut an.« Sie musterte mich scharf. »Und nicht nur für mich. Ich weiß, dir geht es ähnlich. Auch du kennst es viel zu gut. Aber du bist anders. Und das weißt du auch.«
    »Ich war echt megadämlich«, antwortete ich. »Aber ich bin einfach . . . Als du mir all die Sachen über Mama erzählt hast, bin ich irgendwie durchgedreht.«
    Sie blickte auf den Salzstreuer, der zwischen uns stand. Schob ihn von der einen auf die andere Seite und wieder zurück. »Letztendlich hat sie uns beide angelogen. Und wen wundert’s? Trotzdem wünsche ich mir bis heute, ich hätte es geschafft, dir das Leben irgendwie zu

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