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About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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ausmachen, der direkt hinter der halb geöffneten Tür im Dämmerlicht stand und uns beobachtete. Garantiert freute er sich tierisch über die Szene, die wir gerade vor seiner Wohnung aufführten   – etwas, auf das
er
bestimmt nicht abfuhr. »Denn du brauchst gar nichts. Keinen festen Freund, keine Freunde im Allgemeinen, niemanden. Das hast du mehr als einmal geäußert, und zwar ganz klar. Du hast keinen Zweifel daran gelassen. Und bekommen, was du wolltest. Also, warum wundert dich das jetzt so?«
    Ich starrte sie an. In meinem Kopf drehte sich alles, mein Mund war trocken und ich konnte an nichts anderes mehr denken als daran, wie gern ich jetzt an einem sicheren Ort gewesen wäre, wo ich allein war und mich wohlfühlte. Und dass das unmöglich war. Mein altes Leben gab es nicht mehr, mein neues war noch im Werden, änderte sich von Minute zu Minute. Es gab nichts, absolut nichts, worauf ich mich verlassen konnte. Ja, warum wunderte mich das eigentlich?
    Ich ließ sie einfach stehen und ging zurück durch den Wald, hatte jedoch Mühe, dem Weg zu folgen. Wäre beinahe über jede Wurzel gestolpert, wurde von herabhängenden Zweigen behindert, die mir Arme und Beine zerkratzten. Ich war so müde, war es so leid   – diesen Tag, alles. Und alles stürmte auf mich ein: Coras Gesicht heute Morgen im Flur, Olivias Prismenscheibe, die im Sonnenlicht funkelte,wie ich die dunkle, mir so vertraute Wohnung betreten hatte und mir ganz sicher gewesen war, weswegen.
    Ich stolperte schon wieder und wollte gerade versuchen, mein Gleichgewicht zu halten, da ließ ich es aus einem plötzlichen Impuls heraus einfach sein. Machte mich schwer und schlaff, ließ mich fallen. Erst schlugen meine Knie auf dem mit Blättern bedeckten Boden auf, dann meine Ellbogen. Vor mir in der Ferne sah ich den Rand der Lichtung, sah sogar Aaron, der mich verwundert anschaute. Doch plötzlich fühlte es sich total richtig an, allein zu sein. Mehr als das   – es war perfekt. Ich legte mich flach auf den Waldboden. Über mir der Himmel begann sich zu drehen. Ich versuchte, mich noch einmal auf die Vorstellung von der Welle zu konzentrieren, die ich kurz zuvor bereits gehabt hatte. Eine Welle, durch die alles sauber gewaschen wurde, blau und hoch und groß genug, um mich in sich aufzunehmen. Vielleicht war es ein Wunsch. Oder ein Traum. Jedenfalls kam mir die Welle irgendwann so real vor, dass ich sie förmlich spüren konnte. Wie die Gegenwart eines Wesens, das immer näher kam. Arme, die mich umschlossen und hochhoben. Ein Geruch, der alle meine Sinne erfüllte: sauber und rein und mit einem Hauch von Chlor. Der Geruch nach Wasser.
    ***
    Das Erste, was ich sah, als ich die Augen öffnete, war Roscoe.
    Er hockte auf dem leeren Fahrersitz neben mir, unmittelbar vor dem Lenkrad, blickte geradeaus und hechelte. Ich versuchte, den Nebel in meinem Kopf zu lichten. Roch plötzlich seinen Atem   – intensivsten Hundeatem, igitt! Prompt wurde mir schlecht.
Shit
, dachte ich, beugte mich hastig vor, tastete blindlings nach dem Türgriff. Doch da bemerkte ich,noch gerade rechtzeitig, die Papiertüte zwischen meinen Füßen (als hätte sie jemand eigens für mich dorthin gestellt), schnappte sie mir, so schnell ich konnte, und schaffte es, sie vor meinen Mund zu halten, ehe ich anfing zu kotzen. Es brannte und war heiß und ich spürte es bis hin zu meinen Ohren.
    Mit zitternden Händen stellte ich die Tüte schließlich vorsichtig auf dem Boden ab. Lehnte mich zurück. Mein Herz klopfte wie wild. Mir war eisig kalt, obwohl ich mittlerweile ein
USWIM
-Sweatshirt trug, das mir ziemlich bekannt vorkam. Ich blickte durchs Fenster. Das Auto parkte vor einer Reihe Geschäfte in einem Einkaufszentrum; ich bemerkte eine Reinigung und einen Videoladen. Keine Ahnung, wie ich hierhergekommen war. Ich wusste gar nichts mehr. Das Einzige, was mir irgendwie bekannt vorkam, außer dem Hund, war der Duftbaum, der am Rückspiegel baumelte und auf dem stand:
»REST ASSURED EXECUTIVE SERVICES
: SIE KÖNNEN GANZ BERUHIGT SEIN   – IHREN KOPF ZERBRECHEN WIR UNS«.
    Hilfe, das darf nicht wahr sein
!, dachte ich, als all diese Komponenten in meinem Kopf plötzlich heftig aufeinandertrafen. Wieder blickte ich an mir herunter, betrachtete das Sweatshirt, sog den Geruch nach Wasser ein, weit weg und nah zugleich. Nate.
    Roscoe bellte plötzlich auf, nur ein kurzer, aber lauter, deutlicher Kläffer, ein unvermitteltes Geräusch, das durch den beengten Raum, in dem wir uns

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