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About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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Trubel
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    »Komm her.« Harriet schnappte meine Hand und zog mich zu sich, sodass wir nebeneinander vor ihrer Boutique standen. Rasch trank sie noch einen Schluck Kaffee. »Ich würde alles gern noch einmal mit dir durchgehen. Nein, zweimal. Die billigste Ware liegt unten, die teureren Stücke weiter oben. Ringe neben der Kasse für Spontankäufer, Räucherstäbchen, um eine angenehme, anregende Atmosphäre zu erzeugen, ausreichend Ein-Dollar-Scheine zumRausgeben in der Kassenschublade. Erinnerst du dich noch an den Notfallplan?«
    »Ich schnappe mir das Bargeld sowie den wertvollsten Schmuck, zähle die Leute in meiner Nähe und begebe mich so schnell wie möglich zum Ausgang in der Fressmeile«, rekapitulierte ich artig.
    »Gut.« Sie nickte mir knapp zu. »Ich hoffe und glaube nicht, dass er zum Einsatz kommen wird, aber an einem Tag wie heute weiß man nie.«
    Ich wechselte einen Blick mit Reggie, der jedoch bloß resigniert den Kopf schüttelte und ein Gähnen unterdrückte.
    »Wenn ich mir das Ganze allerdings noch mal so anschaue«, meinte Harriet, deren Blick nun prüfend über die diversen Auslagen wanderte, »denke ich, wir sollten die Ohrringe und die Armbänder vielleicht doch gegeneinander austauschen. Irgendwie sieht das nicht richtig ansprechend aus. Im Gegenteil   –«
    »Harriet. Alles ist gut so, wie es ist. Die Leute können kommen.«
    Sie seufzte. »Ich weiß nicht«, meinte sie. »Ich habe das Gefühl, irgendetwas fehlt.«
    »Vielleicht wäre es angemessen, einen kurzen Gedanken daran zu verschwenden, worum es bei den Feiertagen eigentlich geht?«, rief Reggie zu uns herüber. »Vielleicht fehlt ja, sich darauf zurückzubesinnen, dass wir uns auf den Frieden in der Welt konzentrieren, darauf, dass wir gut mit unseren Mitmenschen umgehen und nicht bloß darüber nachdenken, wie wir möglichst viel Geld verdienen können.«
    »Nein«, lautete Harriets lapidarer Kommentar zu dem Vorschlag. Und dann schnippte sie so unvermittelt unddicht neben mir mit den Fingern, dass mir das Geräusch in den Ohren wehtat. »Stopp!«, rief sie aus. »Jetzt hätte ich es doch glatt vergessen.«
    Sie bückte sich, um die Plastikkiste unter der Verkaufstheke hervorzuzerren, die quasi als Lagerraum diente. Fieberhaft sichtete sie die durchsichtigen Tütchen, in denen der Schmuck steckte, fischte endlich ein Stück heraus, öffnete es. Ich blickte auf die Uhr: neun Minuten vor sechs. Als ich den Kopf hob, bemerkte ich, dass Harriet, die mit dem Rücken zu mir stand, gerade den Verschluss einer Kette in ihrem Nacken zunestelte.
    »Die habe ich vor ein paar Wochen gemacht«, erklärte sie. »Zuerst habe ich eigentlich bloß ein bisschen mit dem Motiv rumgespielt, mehr so aus Spaß, doch jetzt frage ich mich, ob ich sie nicht anbieten soll. Was meinst du?«
    Das Erste, was mir ins Auge stach, nachdem sie sich zu mir umgedreht hatte, war der Schlüssel: filigran, silbern, mit roten Steinen besetzt. Er hing an einer Silberkette um ihren Hals, die wie geflochten wirkte. Sofort wurde mir mein eigener Schlüssel auf meiner Haut bewusst; er war gröber, größer, längst nicht so schön. Trotzdem begriff ich in diesem Moment   – als ich sah, was Harriet daraus gemacht hatte   –, warum ich so viele Kommentare dazu gehört hatte. Ein einzelner Schlüssel hatte einfach etwas ungeheuer . . . Markantes an sich. Fiel sofort auf. Glich einer Frage, die darauf wartete, endlich beantwortet zu werden. Einem Ganzen, dem die Hälfte fehlte. Ein Schlüssel allein war nutzlos; er braucht ein Gegenstück, um eine Bedeutung zu erlangen.
    Harriet blickte mich auffordernd an. »Und?«
    »Das ist   –«
    Nervös fiel sie mir ins Wort, vollendete eigenmächtig den Satz für mich (obwohl sie gar nicht wusste, was ich sagenwollte): »Du findest es grauenvoll. Kitschig. Geschmacklos. Eine billige Kopie.«
    »Nein«, antwortete ich rasch. »Das Teil ist superschön. Wirklich was Besonders.«
    »Ehrlich?«
    Sie stellte sich vor den Spiegel, hob die Hand, um den Schlüssel zu berühren, ließ einen Finger darübergleiten. »Ja«, meinte sie zögernd. »Ziemlich einmalig ist das Stück schon. Glaubst du, die werden gekauft?«
    »Hast du noch mehr gemacht?«
    Sie nickte, griff noch einmal in die Kiste, legte weitere Tütchen auf die Theke. Ich zählte mindestens zwanzig, alle unterschiedlich: einige Schlüssel waren kleiner, andere größer, einige ganz schlicht, andere mit Halbedelsteinen besetzt. »Deiner hat mich wirklich inspiriert«, meinte

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