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About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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etwas dran gewesen, hatte eine solche Nähe zu etwas verspürt, was mir noch gar nicht ganz klar war. Jedenfalls hätte ich mir im gelben Haus oder sogar noch während meiner Anfangszeit bei Cora so etwas nie träumen lassen. Dass es überhaupt existierte.
    »Ich meine, du bist schließlich auch bei deiner Mutter geblieben, trotz der Schwierigkeiten«, fuhr Nate fort. »Du hast irgendwie durchgehalten, hast nicht gekniffen. Also verstehst du mich doch, oder etwa nicht?«
    Ich verstand ihn. Aber es ging nicht nur darum. Klar,auch ich hatte bis vor Kurzem nur eins gewollt: frei und unabhängig sein. Es war wirklich noch gar nicht lange her. Deswegen hätte es mir auch leichtfallen müssen, ihm zuzustimmen. Aber entsprach das tatsächlich der Realität? Eigentlich war es doch bloß noch die halbe Wahrheit. Denn sonst wäre ich in diesem Moment gar nicht bei ihm gewesen. Sondern hätte mich verkrümelt, solange ich konnte, mich aus diesem Konflikt und auch aus allem anderen rausgehalten.
    Hatte ich aber nicht. Denn ich war nicht mehr dasselbe Mädchen, das in jener ersten Nacht zum Zaun gerannt war, mit nichts als dem Gedanken an Flucht im Kopf. Hinüberklettern, abhauen. Irgendwann, irgendwie hatte sich seither etwas ganz Grundsätzliches geändert.
    All das hätte ich ihm erzählen können. Und noch viel mehr. Zum Beispiel, wie froh ich im Nachhinein war, dass die Honeycutts mich verpetzt hatten, denn sonst wäre ich nie hier gelandet, bei Cora und Jamie und   – nicht zuletzt   – bei ihm. Hätte nie all die Dinge erlebt, für die ich mittlerweile dankbar war. Außerdem hätte ich ihm erklären können, dass man sich manchmal irrte, wenn man glaubte, es gäbe keinen Ausweg, keine Alternative. Oder man bräuchte das alles nicht. Aber nach dem, was er mir gerade erzählt hatte, wäre es mir bescheuert vorgekommen, dermaßen mit offenen Karten zu spielen. Sechs Monate waren keine lange Zeit. Und ich war oft genug verlassen worden.
    Also verstehst du mich doch, oder etwa nicht?
, hatte er mich gefragt. Darauf gab es nur eine einzige Antwort.
    »Ja«, sagte ich deshalb. »Klar.«

Kapitel zwölf
    »Da bist du ja! Endlich!«
    Der Freitag nach Thanksgiving   – traditionell der wichtigste Tag des Jahres für den gesamten Einzelhandel. Das Einkaufszentrum öffnete daher bereits um sechs Uhr früh wegen einer Sonderaktion, bei der die Ladenbesitzer ihre Kunden mit extrem günstigen Morgenschnäppchen anlockten. Harriet hatte darauf bestanden, dass ich schon um halb sechs auftauchte. Mir kam das ein wenig übertrieben vor; dennoch hatte ich es irgendwie geschafft, mich in der stockdunklen Finsternis aus dem Bett zu wälzen, schlaftrunken unter die Dusche zu taumeln und mir einen Riesenbecher Kaffee einzuschenken, den ich im Gehen trank. In der anderen Hand hielt ich eine Taschenlampe, sonst hätte ich meinen Weg durch den Grüngürtel nie im Leben gefunden. Als ich den Gebäudekomplex erreichte, hatte sich vor dem Haupteingang bereits eine Schlange gebildet: jede Menge Menschen, dick in Anoraks und Mäntel eingepackt, die geduldig warteten.
    In den Geschäften und Boutiquen der Mall, an denen ich auf dem Weg zum Schmuckladen vorbeilief, herrschte bereits ziemlicher Betrieb. Überall wurde eifrig geschwatzt, Ware angeschleppt, wurden Bestände aufgestockt und letzte Vorbereitungen getroffen, um dem Ansturm der Kundengewachsen zu sein. Als ich bei Harriets Laden ankam, stellte ich fest, dass sie offensichtlich schon seit einer ganzen Weile da war. Untrügliche Anzeichen dafür: die beiden leeren Pappbecher auf der Theke, der dritte in ihrer Hand. Sie war, das muss wohl kaum extra erwähnt werden, natürlich jetzt schon kurz vorm Durchdrehen.
    »Beeil dich«, rief sie mir entgegen und fuchtelte dabei mit den Armen, als könnte sie durch reine Willenskraft bewirken, dass ich schneller bei ihr war. »Wir haben nicht mehr viel Zeit!«
    Leicht alarmiert sah ich im Vorbeidüsen Reggie an, der vor seinem Vitaminbüdchen saß und einen Becher in der Hand hielt, aus dem ein Teebeutel ragte. Er winkte mir verschlafen zu.
    »Du musstest auch so früh hier sein?« Ich blieb kurz erstaunt stehen. Denn ehrlich gesagt, konnte ich mir nicht vorstellen, dass irgendwer Haiknorpelpillen als Weihnachtsgeschenk kaufte.
    Er zuckte die Schultern. »Es macht mir nichts aus. Irgendwie mag ich den Trubel.«
    Versonnen lächelnd blickte er zu Harriet hinüber, die gerade hektisch ein zweites Räucherstäbchen anzündete.
Klar
, dachte ich.
Der

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