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About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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dem Tisch herunter, umrundete ihn, öffnete eine Schublade. In ihren Jeans, roten Clogs und der schlichten weißen Bluse, die wie ein Männerhemd geschnitten war, sah sie aus wie zwölf. Was es ihr bestimmt nicht erleichterte, im Unterricht für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Andererseits schienen die Leutchen hier per se nicht sonderlich aufmüpfig zu sein. Selbst die Typen in der letzten Reihe   – athletische Kerle mit Supermuckis, die sich entweder lässig auf ihren Stühlen zurücklehnten oder in sich zusammengesunken, Kopf halb auf der Tischplatte, dahockten   – wirkten eher schläfrig als auf Randale aus.
    »Heute fangt ihr mit euren Einzelprojekten zum Thema mündliche Erzählung an.« Ms Conyers schloss die Schublade wieder. »Wobei es sich weniger um eine stringente Erzählung handeln sollte als vielmehr um eine Art Zusammenstellung von Beobachtungen und Erfahrungen.«
    Sie steuerte mittlerweile auf den Gang zwischen den Tischen zu. Ich bemerkte, dass sie eine kleine Plastikschüssel in der Hand trug, welche sie nun einem kräftig gebauten Mädchen mit Pferdeschwanz hinhielt. Das Mädchen zog einen Zettel heraus. Ms Conyers bat sie vorzulesen, was darauf stand. Das Mädchen kniff ein wenig die Augen zusammen, bevor sie sagte: »Rat.«
    »Rat«, wiederholte Ms Conyers, wobei sie sich bereits dem nächsten näherte, einem Typen mit Brille, und ihm die Schüssel entgegenstreckte. »Was bedeutet ›Rat‹?«
    Einen Augenblick lang herrschte Stille, während Ms Conyers die Leute nacheinander jeweils einen Zettel aus der Schüssel ziehen ließ. Schließlich anwortete die Blonde neben mir: »Weisheit. Die man von anderen mitgeteilt bekommt.«
    »Gut, Heather«, sagte Ms Conyers; sie hielt die Schüssel gerade einem dünnen Mädchen im Rollkragenpullover hin. »Wie lässt sich ›Rat‹ noch definieren?«
    Schweigen. Inzwischen hatten bereits ziemlich viele ihre Zettel gezogen, und es entstand ein murmelnder Geräuschpegel, weil man anfing, sich über die jeweiligen Begriffe zu unterhalten. Schließlich meinte ein Typ hinter mir trocken: »Das Letzte, was man von anderen bekommen möchte.«
    »Sehr schön«, lautete Ms Conyers Kommentar. Jetzt trat sie vor mich. Lächelte mich an, als ich in die Schüssel griff und mir den ersten Zettel schnappte, den meine Finger berührten. Ich zog die Hand mitsamt Zettel wieder zurück, faltete ihn jedoch nicht auf. Ms Conyers ging an mir und dem Riesenrucksack zu wem auch immer vorbei, der sich dahinter verbarg. »Weiter?«
    Das Mädchen, das den Zettel mit »Rat« ursprünglich aus der Schüssel genommen hatte, erwiderte: »Manchmal suchtman danach, wenn man eine Entscheidung nicht allein fällen kann.«
    »Genau«, sagte Ms Conyers, die gerade an den Typen in der letzten Reihe vorbeilief. Ein Zottelhaariger kauerte mit geschlossenen Augen schief und krumm über seinen Büchern und döste vor sich hin. Als sie ihn erreichte, versetzte sie ihm einen leichten Stups. Er fuhr hoch und blickte verwirrt um sich, bis sie vielsagend auf die Schüssel deutete. Mechanisch zog er einen Zettel heraus. »Wenn ich also zum Beispiel Jake hier einen Rat geben sollte   – was wäre da angebracht?«
    »Geh mal zum Friseur«, meinte jemand. Allgemeines Gelächter.
    »Oder«, sagte Ms Conyers, »sorg dafür, dass du nachts anständig schläfst, denn Nickerchen in der Schule sind
nicht
cool.«
    »Sorry«, murmelte Jake. Sein Kumpel neben ihm   – er trug eine Baseballmütze, auf der
»Butter Biscuit«
stand   – knuffte ihn daraufhin ziemlich fest gegen den Arm.
    »Der springende Punkt ist: Kein Wort hat bloß eine einzige, spezifische Definition«, fuhr Ms Conyers fort. »Im Lexikon vielleicht, aber nicht im wirklichen Leben. Der Sinn dieser Übung besteht also darin, dass ihr euch euer jeweiliges Wort vornehmt und versucht herauszufinden, was es bedeutet. Nicht nur für euch, sondern auch für die Menschen in eurer Umgebung: eure Freunde, eure Familien, Kollegen beim Job, Mitspieler beim Sport. Wenn ihr alle Antworten zusammentragt, sollte am Ende das dabei herauskommen, wie ihr selbst den Begriff in all seinen unzähligen Bedeutungen versteht.«
    Inzwischen redeten alle durcheinander. Ich blickte auf meinen Zettel, faltete ihn langsam auf. »Familie« stand darauf,in einfachen, schnörkellosen Druckbuchstaben.
Super
, dachte ich.
Weder habe ich eine, noch interessiere ich mich dafür. Das ist bestimmt
–«
    »Eine Art
Witz
«, vollendete eine Stimme meinen Gedanken für mich. Und in

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