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About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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Verständnis dafür. Das Risiko war es nicht wert.
    Trotzdem ertappte ich mich in den folgenden Jahren, während wir ständig umzogen, häufig dabei, dass ich anmeine Schwester dachte. Meistens mitten in der Nacht, wenn ich nicht schlafen konnte und versuchte, sie mir vorzustellen, in ihrem Zimmer im Studentenwohnheim, gerade mal fünfzig und ein paar zerquetschte Kilometer, aber gleichzeitig eine ganze Galaxie weit entfernt. Ob sie glücklich war? Wie das Leben da draußen wohl war? Und ob sie vielleicht, nur manchmal, vielleicht auch an mich dachte?

Kapitel drei
    »Willkommen, Ruby, schön, dass du bei uns bist. Dort drüben ist ein freier Platz.«
    Ich spürte die Blicke in meinem Rücken, während ich zu dem leeren Stuhl am Ende eines langen Tisches hinüberschaute, auf den die Lehrerin   – eine schmale Blonde, die aussah, als käme sie frisch von der Uni   – deutete. Ich folgte ihrer Aufforderung. Was blieb mir sonst auch übrig?
    Laut meinem neuen Stundenplan war dies ein Kurs in »Praktischem Literaturverständnis« mit einer gewissen M.   Conyers. An der Jackson Highschool hatten die Kurse normale, schlichte Namen gehabt: Englisch, Mathe, Geschichte. Sofern man nicht zu den wenigen Goldkindern gehörte, die früh dazu auserkoren waren, eine steile Karriere an einer der Elite-Universitäten zu machen, und entsprechend gefördert wurden, musste man sich seinen Stundenplan im Prinzip selbst zusammenbasteln; denn von den Beratungslehrern   – drei desinteressierte Exemplare pro Abschlussjahrgang, mehr nicht   – erhielt man lediglich minimale Unterstützung. Mr Thackray dagegen hatte eine geschlagene Stunde damit verbracht, sich in meine bisherigen Schulunterlagen zu vertiefen, mir aus dem voluminösen Verzeichnis aller angebotenen Kurse deren Inhaltsbeschreibungen vorzulesen und sich mit mir über meine Interessenund Ziele zu unterhalten. Vielleicht hatte er ja bloß Jamie einen Gefallen tun wollen, schließlich gehörte der zu den Hauptsponsoren der Schule. Aber irgendwie bezweifelte ich das. Denn dass man die Dinge hier anders anpackte, als ich es gewohnt war, lag auf der Hand.
    Nachdem ich mich gesetzt hatte, las ich mir die Aufstellung meiner Kurse (ein ordentlich in Kästchen eingeteiltes Blatt, in denen so hochgestochenes Zeug stand wie »Einführung in die Differenzialrechnung«, »Globale Kulturen, Praktiken und Gewohnheiten«, »Zeichnen: Leben und Form«) gleich zweimal hintereinander durch. Dadurch verschaffte ich meinen lieben Mitschülern netterweise   – fand ich jedenfalls   – ausreichend Zeit, um mich neugierig anzuglotzen, bis ihnen endlich langweilig werden würde und sie sich wieder interessanteren Dingen zuwandten. Und bingo! Als ich nach ein paar Minuten aufschaute und kurz aus den Augenwinkeln checkte, was die anderen inzwischen trieben, taten sie exakt das Gleiche wie ich nun: Sie richteten ihre Aufmerksamkeit auf die Lehrerin. Zumindest pro forma.
    »Wie ihr wisst«, sagte jene gerade, während sie zu dem Tisch vor der großen, trocken abwischbaren Wandtafel ging und sich schwungvoll daraufsetzte, »haben wir für den Rest des Schuljahrs noch diverse Projekte vor uns. Da wäre zum einen die wissenschaftliche Recherche über den Roman eurer Wahl, außerdem die gemeinsame Lektüre einiger Biografien und eure Aufzeichnungen mündlicher Erzählungen.«
    Da ich mich mittlerweile eine Spur weniger unwohl fühlte als beim Reinkommen, gestattete ich es mir, mich ein wenig im Klassenzimmer umzuschauen: Ein großer Raum mit drei riesigen Fenstern auf einer Seite, welche auf diegrünen Rasenflächen des Schulhofs hinausgingen; an einer Wand standen mehrere funkelnagelneue Computer und in drei Reihen nebeneinander ganz normale Tische, also keine Pulte. Wir waren nur wenige Schüler, zwölf, höchstens vierzehn, nach meiner groben Schätzung. Links von mir saß ein Mädchen mit langem, rotblondem Haar, welches sie mithilfe eines Bleistifts zu einem lässigen, improvisiert wirkenden Knoten hochgesteckt hatte. Sie war hübsch   – im Sinne von Cheerleader-/Schulsprecherin-/zukünftige Atomphysikerin-hübsch   – und saß so kerzengerade da, als hätte sie statt einer Wirbelsäule einen Stock im Rücken; vor ihr auf dem Tisch stand ein
Jump-Java
-Pappbecher. Rechts von mir ragte ein gigantischer Rucksack, von dem mindestens vierzehn Schlüsselanhänger baumelten, so weit in die Höhe, dass ich nicht sehen konnte, wer sich auf der anderen Seite verbarg.
    Ms Conyers hüpfte wieder von

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