About Ruby
gestikulierend irgendetwas sicherlich Hochinteressantes erzählte, schwankte die Coladose in ihrer Hand im Rhythmus ihrer Worte hin und her. Nate lächelte sie beim Zuhören an. Logo. Der Inbegriff des netten Jungen von nebenan, der Traum aller Schwiegermütter.
Und plötzlich kam mir eine Idee. Ich blickte auf die Uhr. Kurz vor vier. Ich hatte also noch gut eine Stunde Zeit, bevor irgendjemandem auffallen würde, dass ich spät dran war. Das reichte dicke, um zu erledigen, was ich zu erledigen hatte. Vorausgesetzt, ich kam bald in die Gänge. Ich brauchte bloß ein wenig Hilfe, und wenn ich mich geschickt genug anstellte, würde ich nicht einmal ausdrücklich darum bitten müssen.
Ich schwang mir meinen Rucksack über die Schulter und lief zur Straße, direkt vorbei an der Perkins-Day-Truppe, die ich aber bewusst ignorierte. Stattdessen blickte ich stur geradeaus, in Richtung der großen Kreuzung vor mir. Zu Cora zu laufen, würde ewig dauern, und dorthin, wohin ich wirklich wollte, noch länger, deshalb trieb ich ein gewagtes Spiel. Vor allem, wenn man bedachte, wie ich mich bisher verhalten hatte. Aber da zum Nettsein ja auch dazugehörte, jemandem seine Fehler nicht nachzutragen – zumindest hatte ich so was mal läuten hören –, ließ ich meine Würfel tapfer rollen.
Nach zwei Querstraßen hörte ich ein Hupen. Und dassein Auto hinter mir bremste. Ich wartete das zweite Hupen ab, bevor ich ein überraschtes Gesicht aufsetzte und mich umdrehte. Und schwupp – da war er. Nate. Genau, wie ich erwartet hatte.
»Lass mich raten.« Eine Hand am Steuer, lehnte er sich über den Beifahrersitz und blickte zu mir hoch. »Du brauchst keine Mitfahrgelegenheit.«
»Nö«, antwortete ich. »Trotzdem danke.«
»Das ist eine Ausfallstraße.« Er deutete auf die Fahrbahn. »Es gibt nicht einmal einen Bürgersteig.«
»Wer bist du, der Schullotse?«
Er schnitt eine Grimasse. »Du möchtest die zehn Kilometer bis nach Hause also wirklich lieber zu Fuß gehen?«
»Das sind keine zehn Kilometer«, meinte ich.
»Du hast ja so recht. Es sind zehn Komma drei«, erwiderte er. Aus einem roten Ford hinter ihm ertönte aufgebrachtes Hupen, dann schoss der Wagen an uns vorbei. »Ich laufe die Strecke jeden Freitag und glaub mir – es sind zehn Komma drei Kilometer.«
»Warum bist du so scharf darauf, mich durch die Gegend zu kutschieren?«
»Bin eben Kavalier«, entgegnete er.
Ja klar
, dachte ich.
So kann man es auch nennen
. »Kava liere sind out. Mausetot.«
»Das wirst du auch sein, wenn du weiter hier langlatschst.« Er seufzte. »Steig schon ein.«
Es war wirklich so einfach.
***
Das Innere von Nates Auto war in dunklen Farben gehalten, makellos sauber und roch fabrikneu. Trotzdem baumelte ein Duftbaum am Rückspiegel, auf dem stand:
»REST
ASSURED EXECUTIVE SERVICES
: SIE KÖNNEN GANZ BE RUHIGT SEIN – IHREN KOPF ZERBRECHEN WIR UNS«.
»Die Firma meines Vaters«, sagte er, als er meinen Blick bemerkte. »Wir versuchen, das Leben anderer in diesen komplizierten Zeiten einfacher und übersichtlicher zu gestalten.«
Ich hob leicht spöttisch die Augenbrauen. »Das klingt wie aus einer Werbebroschüre.«
»Weil es ein Zitat aus einer
ist
«, antwortete er. »Aber wenn jemand fragt, was wir so treiben, soll ich das sagen.«
»Und wenn dieser Jemand Wert auf eine konkrete Antwort legt?«
»Dann erkläre ich ihm« – bevor er die Spur wechselte, warf er einen Blick über die Schulter – »dass wir alles machen: Briefe bei der Post und Klamotten bei der Reinigung abholen, mit Hunden Gassi gehen, Törtchen für Kindergeburtstage mit Glasur überziehen . . .«
Ich ließ das einen Moment auf mich wirken. »Klingt längst nicht so gut«, meinte ich schließlich.
»Ich weiß. Deshalb soll ich ja auch das andere sagen.«
Ich lehnte mich im Sitz zurück, sah aus dem Fenster. Häuser und Autos zogen verschwommen vorbei. Okay, okay. Es war also nicht total ätzend, sich in seiner Gesellschaft zu befinden. Trotzdem, ich war nicht eingestiegen, um Konversation zu machen oder mich mit ihm anzufreunden.
»Übrigens, wegen meinem blöden Spruch von vorhin . . .«, fing er plötzlich an.
»Vergiss es«, sagte ich. »Mach dir deswegen keinen Kopf.«
Er warf mir einen neugierigen Blick zu. »Was sollte das eigentlich? Auf dem Zaun, meine ich? Falls ich fragen darf . . .?«
Nein, durfte er nicht. Andererseits war ich ihm in diesemMoment mehr oder weniger ausgeliefert, deshalb antwortete ich: »Kannst
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