Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
Vom Netzwerk:
Ähnliches erwartet, und zunächst verhielt er sich auch exakt so, wie ich angenommen hatte. Sagte kaum einen Ton, während ich ihm ins Wohnzimmer folgte und zusah, während er das Zeug wog und in eine Tüte füllte. Ich bezahlte und wollte gerade aufstehen, als er die Hand ausstreckte, die Schublade einer Kommode öffnete, die in seiner Nähe stand, und eine kleine Keramikpfeife herausnahm. »Möchtest du?«, fragte er.
    »Klar«, antwortete ich. Er gab mir die Pfeife und ein Feuerzeug gleich dazu. Ich spürte seine dunklen Augen unverwandt und aufmerksam auf mir ruhen, während ich mir die Pfeife anzündete, ein paar Züge nahm und sie ihm zurückgab.
    Das Gras war gut, besser als das Zeug, welches wir normalerweise kauften. Die Wirkung setzte fast augenblicklich ein. Das Zimmer, mein Gehirn   – beides wurde langsam von einem dichten, wogenden Dunstschleier eingehüllt. Mir kam auf einmal alles viel interessanter vor, geradezu faszinierend: angefangen bei dem Muster des Sofas, auf dem ich hockte, bis hin zu Marshall selbst, der sich auf seinem Sessel zurückgelehnt und die Hände im Nacken gefaltet hatte. Ein paar Minuten später wurde mir bewusst, dass wir die Pfeifenicht mehr hin- und herreichten, sondern bloß noch schweigend dasaßen. Wie lange schon? Keine Ahnung.
    »Weißt du, was wir jetzt unbedingt brauchen?«, fragte er mit leiser, ausdrucksloser Stimme.
    »Was?« Meine Zunge fühlte sich total dick an, mein ganzer Mund staubtrocken.
    »Slurpees«, antwortete er. »Komm.«
    Ich hatte Angst, er würde mich darum bitten, mich ans Steuer zu setzen und zum nächsten Einkaufszentrum zu fahren, was völlig ausgeschlossen gewesen wäre. Aber nachdem wir das Haus verlassen hatten, schlug er einen Weg über ein Feld dahinter ein, das von Starkstrommasten übersät war. Am anderen Ende kamen wir in der Nähe eines kleinen Supermarkts raus. Weder auf unserem Weg dorthin noch während wir in dem Laden waren, sprachen wir auch nur ein Wort. Erst als wir wieder hinausgingen, wobei jeder von uns an seinem Slurpee   – kalt, süß, perfekt   – nuckelte, machte er schließlich den Mund auf.
    »Geiles Zeug, was?« Er sah mich von der Seite an.
    Ich nickte. »Fantastisch.«
    Woraufhin er lächelte, was mich einigermaßen aus dem Konzept brachte, und zwar hauptsächlich, weil ich ihn noch nie zuvor hatte lächeln sehen. Aber es kam noch besser, vielmehr merkwürdiger: Als wir den Pfad über das Feld entlang zurückgingen, griff er plötzlich hinter sich, nahm meine Hand und hielt sie fest, während er vor mir herlief. Die ganze Zeit über, bis wir wieder bei ihm daheim anlangten. Ich werde es nie vergessen: Die Kälte meines Slurpees an meinen Zähnen, Marshalls Handfläche, die warm an meiner lag, während wir durch die späte Nachmittagssonne liefen, vorbei an den riesigen Strommasten, die um uns her lange Schatten warfen.
    Als er stehen blieb, um mich zu küssen, war es, als wäre die Zeit ebenfalls stehen geblieben: die Luft, mein Herz, die Welt um uns herum   – alles unendlich still, ruhig, reglos. Und genau an diesen Moment erinnerte ich mich von nun an jedes Mal, wenn ich mit Marshall zusammen war. Vielleicht lag es an der ganzen Situation, wir zwei allein auf diesem Feld, oder vielleicht auch daran, weil es das erste Mal war. Zu dem Zeitpunkt wusste ich nämlich noch nicht, dass keiner von uns beiden zu mehr fähig sein würde: Momente miteinander, die großartig waren, aber auch sehr flüchtig, sehr vergänglich.
    Marshall war nicht mein fester Freund, andererseits jedoch auch nicht bloß irgendein Freund. Unsere Beziehung war flexibel, elastisch wie Gummi, dehnte sich zwischen den beiden Extremen aus, je nachdem, wer sonst noch da war, wie viel wir oder einer von uns jeweils getrunken hatten und noch ein paar Faktoren mehr. Doch da ich mich nie gern auf irgendetwas oder irgendwen zu sehr eingelassen hatte, war es mir im Grund genau recht so. Zumal unser Verhältnis nie problematisch wurde. Man durfte bloß nicht mehr geben, als man selbst zu verlieren bereit war, darin bestand der Trick. Was zwischen Marshall und mir lief, war wie ein Spiel, das »Mir doch egal« hieß. Auf einer Party quatschte ich mit einem anderen Typen   – auf der nächsten verschwand er mit einem anderen Mädchen. Er rief mich nicht zurück   – ich machte mich eine Weile rar, damit er ins Grübeln geriet, was ich wohl so trieb. Und so weiter.
    Diesen Tanz führten wir bereits seit so langer Zeit miteinander auf, dass er mir

Weitere Kostenlose Bücher