Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
Vom Netzwerk:
Stimme, denn ich konnte sie hören, auch wenn ich nicht verstand, was gesagtwurde. Nate hob die Hand, rieb sich erschöpft übers Gesicht. »Wie gesagt, in zehn Minuten bin ich da.« Als wir auf die Hauptstraße einbogen, gab er Gas. »Nein . . .« Er brach mitten im Satz ab. »Ich musste bloß etwas erledigen, für die Schule. Ja. Ja doch. Okay.«
    Er klappte das Handy zu, ließ es mit einem leisen Scheppern auf die Konsole zwischen unseren Sitzen fallen.
    »Probleme?«, erkundigte ich mich.
    »Nö«, meinte er. »Es ist nur wegen meinem Vater. Manchmal, wenn es ums Geschäft geht, entwickelt er sich zu einem kleinen . . . Kontrollfreak.«
    »Hast du vergessen, die Törtchen für den nächsten Kindergeburtstag mit Glasur zu überziehen?«
    Er blickte mich schräg von der Seite an, als wäre er überrascht, dass selbst ich mal einen Witz machen konnte. »Etwas in der Art«, erwiderte er. »Ich muss unterwegs kurz wo anhalten. Oder hast du etwas dagegen?«
    Ich zuckte die Schultern. »Dein Auto.«
    Als er sich in den Verkehr auf der Schnellstraße einfädelte, klingelte sein Handy. Nate schnappte sich das Teil, blickte aufs Display, klappte es auf. »Hallo? Ja, bin unterwegs. Auf der Schnellstraße. Zehn Minuten. Logo. Okay. Ciao.«
    Dieses Mal legte er das Handy nicht weg, sondern behielt es in der Hand. Nach einer kurzen Pause meinte er: »Wir sind nur zu zweit, weißt du. Wohnen zusammen, arbeiten zusammen. Das kann schon mal ziemlich . . . intensiv werden.«
    »Ich weiß«, antwortete ich.
    Vielleicht lag es daran, dass mir meine Mutter im Kopf herumspukte. Jedenfalls rutschten mir die beiden Worte einfach so raus, bevor ich es überhaupt merkte. Eine vollkommen unbewusste, spontane Reaktion. Andererseits war das so ungefähr das letzte Thema, über das ich sprechenwollte, vor allem nicht mit Nate. Doch natürlich fragte er prompt nach: »Ach ja? Woher?«
    Ich zuckte die Schultern. »Hab auch mal mit meiner Mutter zusammengearbeitet. Wenigstens eine Zeit lang.«
    »Echt?« Und auf mein bestätigendes Nicken hin: »Was denn genau?«
    »Verlorenes Gepäck für diverse Fluggesellschaften ausfahren.«
    Er hob die Augenbrauen   – weil er sich wunderte? Weil er beeindruckt war? »Das ist ein richtiger Job, den richtige Menschen haben?«
    »Wieso, hast du gedacht, das Zeug wird gebeamt oder was?«
    »Nein«, erwiderte er gedehnt. Warf mir einen aufmerksamen Blick zu. »Ich meine bloß . . . Jeder weiß, dass so etwas passiert und dass es erledigt werden muss. Aber man macht sich nicht klar, dass es konkret jemanden gibt, der es tatsächlich tut.«
    »Tja, dieser Jemand bin ich«, meinte ich. »Oder besser gesagt: Ich war’s.«
    Nate verließ die Autobahn über die nächste Ausfahrt und fuhr auf dem Zubringer, bis wir uns einer Ampel näherten. Als wir abbremsten, fragte er: »Was ist passiert?«
    »Passiert?«
    »Mit dem Gepäcklieferservice. Warum hast du aufgehört?«
    Dieses Mal war ich schlauer. Wusste, dass es besser sein würde, nicht direkt, sondern nur ausweichend zu antworten. »War Zeit für eine Veränderung«, erwiderte ich daher. »Das ist alles.«
    Zum Glück bohrte er nicht weiter nach, sondern setzte den Blinker und bog auf den großen   – und sehr vollen   –Parkplatz vor der
Vista Mall
ein, einem gigantischen Einkaufszentrum mit jeder Menge Geschäfte, Imbissbuden und Restaurants. Wir mussten zwei endlose Autoreihen abfahren, bis Nate endlich hinter einem alten grünen Chevrolet Tahoe anhielt. Die Kofferraumklappe stand offen und gab den Blick auf eine mit Kartons und Getränkekästen vollgestopfte Rückbank frei, in denen wiederum eine Unzahl von Umschlägen diverser Art sowie ein Jahresvorrat an Verpackungsmaterial steckten. Ein Frau stand, mit dem Rücken zu uns, über das ganze Zeug gebeugt vor dem Kofferraum. Ihr rotes Haar hatte sie zu einem unordentlichen Knoten hochgesteckt; sie trug einen flauschigen, pinkfarbenen Pullover und hielt einen Pappbecher mit Kaffee in einer Hand.
    Nate ließ sein Fenster runter und rief: »Harriet.«
    Sie hörte ihn nicht; stattdessen hob sie einen der Kästen leicht an, um ihn weiter nach hinten zu schieben. Dabei fiel ein leerer Kaffeebecher heraus und drohte wegzurollen, doch sie schnappte ihn sich geistesgegenwärtig und stopfte ihn in einen anderen Karton.
    »Harriet«, wiederholte Nate. Die Frau reagierte immer noch nicht, sondern beugte sich nur tiefer über die Kartons und Kästen.
    »Du musst es lauter sagen«, meinte ich. In der Tat hatte Nate

Weitere Kostenlose Bücher