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About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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seine Stimme kaum über unser normales Sprechniveau erhoben.
    »Ich weiß.« Er atmete tief durch, verzog leicht das Gesicht und drückte auf die Hupe.
    Nur einmal und auch nur ganz schnell:
Biep
! Trotzdem sprang die Frau quasi mit allen vieren in die Luft: Beide Füße verließen den Boden, der Kaffee spritzte in hohem Bogen aus ihrem Becher auf den Asphalt hinter ihr   – also zwischen sie und Nates Auto. Dann fuhr sie herum undstarrte uns entgeistert an. Die andere, freie Hand lag auf ihrer Brust.
    »Tut mir leid«, rief Nate. »Aber du hast nichts   –«
    »Was soll das?«, fuhr sie ihn an. »Willst du, dass ich einen Nervenzusammenbruch bekomme?«
    »Natürlich nicht.« Rasch öffnete Nate die Tür, stieg aus, trat neben sie. »Komm, lass mich das nehmen. Diese drei? Oder auch die Kästen?«
    »Alles«, antwortete die Frau   – Harriet?   –, die immer noch ziemlich durch den Wind zu sein schien und an der hinteren Stoßstange ihres Chevys lehnte, während sie sich mit der Hand vor dem Gesicht Luft zufächelte. Nate begann, die Kästen und Kartons in seinen Kofferraum zu laden. Ich hatte so lange Gelegenheit, sie genauer zu betrachten. Sie war ziemlich attraktiv. Trug außerdem eine Silberkette mit dazu passenden Ohrringen und mehrere Ringe.
    »Er weiß, was für ein nervöser Mensch ich bin«, sagte sie zu mir, wobei sie mit ihrem Becher auf Nate deutete. »Trotzdem hupt er mich an. Er
hupt

    »Aus Versehen«, sagte Nate zu ihr; gleichzeitig holte er sich bereits den letzten Karton. »Tut mir leid.«
    Harriet seufzte, lehnte sich wieder an die Stoßstange und schloss die Augen. »Schon gut, es liegt an mir«, meinte sie. »Ich habe diesen total wichtigen Abgabetermin, der eigentlich längst verstrichen ist, dabei wusste ich, dass ich es niemals rechtzeitig zum Kurier schaffen würde, um alles abzugeben, bevor die zumachen . . .«
    ». . . aber dafür hast du ja uns«, fiel Nate ergänzend ein, wobei er seinen Kofferraum mit einem vernehmlichen Knall schloss. »Ich bringe alles sofort hin. Mach dir keine Sorgen.«
    »Bitte normal verschicken, nicht Express«, sagte sie. »Express kann ich mir nicht leisten.«
    »Ich weiß.«
    »Und achte darauf, dass du sämtliche Belege mitnimmst, damit man die Sendung nachverfolgen kann, denn sie muss bis Ende der Woche da sein, so ist es verabredet, aber für den Westen ist schlechtes Wetter vorhergesagt   –«
    Nate schnitt ihr das Wort ab: »Schon erledigt.«
    Harriet stand da, umklammerte ihren Kaffeebecher, dachte einen Moment nach. »Hast du gestern die Sachen zur Reinigung gebracht?«
    »Sind am Donnerstag fertig«, antwortete Nate.
    »Und die Überweisung, die du bei der Bank abgeben solltest?«
    »Hat mein Vater heute Morgen erledigt. Der Beleg steckt in einem Umschlag in deinem Briefkasten.«
    »Hat er daran gedacht . . .?«
    ». . . wieder abzuschließen? Ja. Der Schlüssel ist genau da deponiert, wo du gesagt hast. Noch was?«
    Harriet holte tief Luft, als wollte sie noch etwas fragen, ließ es dann aber und atmete wieder aus. »Nein«, meinte sie nach ein paar Sekunden. »Zumindest nicht im Moment.«
    Nate stieg wieder ein. »Sobald ich daheim bin, schicke ich dir eine E-Mail mit allen Informationen zu den diversen Umschlägen und Päckchen, damit du sie nachverfolgen kannst. Okay?«
    »In Ordnung«, erwiderte sie, doch ihre Stimme klang verunsichert. Nate ließ den Motor an. »Danke.«
    »Kein Thema. Ruf an, falls noch was ist.«
    Sie nickte. Stand jedoch weiterhin wie angewurzelt an ihrer Stoßstange, umklammerte den Pappbecher und wirkte verwirrt. Wir fuhren los. Ich wartete, bis wir in die Hauptstraße eingebogen waren, bevor ich ihn zitierte: »›Sie können ganz beruhigt sein‹? So ist das also?«
    »Nein.« Nate klang erschöpft. »So ist Harriet.«
    Als wir vor Coras Haus anhielten, war es halb sechs. Seit er mich aufgegabelt hatte, war bloß eine gute Stunde vergangen, doch es erschien mir wesentlich länger. Während ich meine Sachen zusammensammelte und die Beifahrertür öffnete, begann sein Handy wieder zu klingeln. Er warf einen Blick aufs Display, sah dann erneut mich an. »Mein Vater wird langsam nervös«, meinte er. »Ich muss los. Bis morgen früh?«
    Ich betrachtete ihn, nahm ganz bewusst wahr, wie gut er auf seine konventionelle Art aussah, wie freundlich er wirkte. Okay, dann war er eben ein netter Kerl und vielleicht doch nicht nur der hirnlose Muckityp, für den ich ihn auf den ersten Blick gehalten hatte. Außerdem hatte er

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